Donnerstag, 17. September 2009

Ragi-Buch 6 - Khajuraho in Deutschland





(Die Einführung zu dieser Geschichte über Ragi und Stefan
steht im Buch 1 unter http://RagiundStefanEins.blogspot.com )
(für alle meine Google-Blogs: http://Mein-Abenteuer-mein-Leben75.blogspot.com )
(dieser Blog "Buch 6" hat die Adresse: http://RagiundStefanSechs.blogspot.com )




Kapitel XIV - Eine spirito-therapeutische Reise ins mittelalterliche Khajuraho als Vorbereitung zur höchsten Erkenntnis

(diese Fantasie-Reise findet ihr hier http://khajuraho-mein-tantra.blogspot.com/)


Langsam und allein wandere ich auf die Tempel zu, die in einem schönen Park liegen. Schon von Weitem sehe ich die hohen Türme.

Die Sonne brennt; ich habe mich geschmückt, wie es bei einem solchen Gang üblich und schön ist. Bunter Schmuck und bunte Tücher sind es, und es wird nun heiß auf der Haut. Das war zu viel, die Sonne zeigt's mir jetzt. Ich habe es übertrieben, habe mich wohl zu sehr rausgeputzt.

Schon weit vor dem Tempelpark wird es stiller — keine Werkstätten, keine brüllenden Kühe oder Büffel, keine schreienden Kinder mehr — ich nähere mich einem geheiligten Gebiet.

Schon ein paar Tagereisen von der Stadt Khajuraho entfernt liegt mein Dorf, wo ich gerade her komme. Dort verdiene ich mit Arbeiten in der Landwirtschaft Unterhalt für mich und für die anderen in meinem Haus, eigentlich für die ganzen Commune, die aus einer Ansammlung mehrerer Hütten besteht. Das Leben dort ist ziemlich anstrengend, es ist tagtäglich heiß und feucht, im Sommer scheint die Sonne Feuer zu schleudern, in der Regenzeit ist alles so lebendig, daß die Pilze aus jedem Stein zu sprießen scheinen.

Die Tiere des Waldes stören dauernd unseren Anbau von Reis, Obst, Baumwolle und Gemüse, sie greifen sogar an, wenn wir sie vertreiben wollen, besonders die Büffel und Elefanten, die dauernd aus dem Wald kommen, sind unangenehm, und wir versuchen immer wieder, die Waldleute anzuwerben, die besser mit den großen Tieren umgehen können, um sie zu vertreiben oder wo anders hin zu leiten. Die Mücken; die kleinen Blutegel, die an jedem Kraut sitzen und auf nackte Haut warten; die nesselnden Kräuter; die Vipern, nur eine Spanne lang und gefährlich, denn man sieht sie nicht und sie warnen nicht vor dem Stich — dagegen sind Kobras und andere Schlangen harmlos.

Unsere Commune besteht aus ein paar Hütten, die aus geflochtenen Matten gebaut sind, viele Leute leben darin, aber wir fühlen uns wohl — immerhin haben wir ein Feuer, an dem wir uns in den kühlen Nächten der Regenzeit wärmen und die Kleider trocknen, und an dem wir uns warme Getränke und Speisen kochen. Neulich ist die Frau gekommen, die sich um unsere Gesundheit kümmert, eine Bhikkhuni (Endnote 39). Sie sah mich an und meinte, es sei schon länger her, daß ich mich mal so richtig losgelassen hätte, mich zurückgezogen hätte von den Leuten, von der Arbeit, von der Commune, daß ich mal etwas länger mit mir selbst still gewesen sei, daß ich ein „Chakra Puja“ gefeiert hätte, daß ich mich wieder mal so ganz selbst erlebt hätte, daß ich von meinem Ego (Ahamkara sagt sie) losgekommen sei. Ich bekam einen Termin — und nun bin ich auf dem Weg zu den Tempeln.

Hinter mir liegt das Dorf, die Arbeit, die schreienden Kinder und zänkischen Alten, hinter mir liegen die Angst vor dem Elefanten unserer Gemeinde, der so leicht wild wird, der Gestank in den Abzugsgräben und das Gezeter des Aufsehers, wenn der Graben wieder nicht sauber ausgehoben ist.

Ich bin nun in einem großen Park mit Blumenbüschen, in dem die Tempel liegen — 10 oder 12 zusammen. An anderen Stellen gibt es ähnliche Parks mit solchenTempel.

Um mich herum sind blühende Büsche und Bäume, ich habe meine besten Kleider angetan, lange bunte Tücher und die gelb-orange Wickelstrümpfe, die wir an Festtagen tragen. Sie sind am bunt geschmückten Gürtel befestigt. Ich fühle mich einerseits sehr wohl — endlich mal ausspannen. Andererseits fürchte ich mich — wie immer — vor dem, was nun geschehen soll. Es ist so anders, und ich weiß: alles, was sich in mir in den vergangenen Monaten angesammelt hat an nicht rausgebrachtem Zorn, unerfüllten Begierden, nicht getanzten Tänzen und nicht gelachtem Lachen: nun wird es mal wieder herauskommen — und davor habe ich Angst. Das Loslassen macht so unsicher, macht die Seele nackt und verletzbar.

Ich gehe nun zwischen den Tempeln umher, die ich aufsuchen soll — und will. Ich WILL tatsächlich, denn ich weiß auch, daß diese Tage hier mir sehr gut tun werden, und den Frauen und Männern, mit denen ich sonst zusammen lebe und arbeite, auch, besonders unseren Kindern, denen ich danach wieder gelassener begegnen werde. Überall stehen und sitzen Menschen umher, die ebenso feierlich und still sind wie ich, ähnlich festlich gekleidet. Sie freuen sich an den Blumen und Schmetterlingen und an den Vögeln mit ihren Gesängen und schillernden Federn.

Irgendwo sitzt eine Frau in weiten Tüchern und spielt leise auf ihrer Vina, ein junger Mann begleitet sie gelassen auf der Tabla.

Bild 30: Spiel auf einer Vina/Veena,
hinten der Kandariya-Tempel

Überhaupt: die Menschen hier sind so leicht und gelassen, wie wir es im Dorf nie sind, selbst im Schlaf nicht. Und auch ich fühle mich nach kurzer Zeit schon viel gelassener, setze mich unter einen duftenden Busch — und schlafe bald einen einfachen Schlaf.

Überall sitzen Menschen mit untergeschlagenen Beinen, manche sogar im Lotus-Sitz, mit geschlossenen oder eher noch mit halbgeschlossenen Augen, und sinken ins Dhyan, in ihre innere Stille. Andere sitzen ruhig und beobachten die Umgebung, andere tanzen umher und erfreuen sich offensichtlich an ihrer eigenen Lebendigkeit, an den schwingenden Armen und Kleidern, an den wehenden Haaren. Es wird kaum gesprochen — was gibt es auch zu sagen, wir sind hier und unsere Gedanken sind mit uns.

Nun treffe ich die Bhikkhuni, die mich eingeladen hat. Sie ist hier so etwas wie eine Seelsorgerin, die sich um das seelische Ergehen der Leute in unserem Bezirk kümmert. Sie arbeitet im Auftrag des Fürsten, der — wie alle Chandélas — nach dem Prinzip regiert: wenn es meinen Leuten seelisch gut geht, dann geht es dem Land gut, dann gibt es keine Unzufriedenheit, dann gibt es keine übertriebenen Machtgelüste, die den Frieden gefährden, keine Gier.

Die Bhikkhuni zeigt mir den ganzen Park und leitet mich zu einem Baum in der Nähe des Kandariya Mahadev Tempels. Dort steht ein rot blühender Busch mit zarten Blütenblättern, und ich bleibe hier stehen und sehe mir die Blüten an. Sie stehen ganz klar und wunderschön vor meinen Augen, sie sind so wie gleiche Blüten in unserem Dorf, sie erinnern mich daran. Das Filigran der Blüten begeistert mich, ich fessele mich daran.

Bild 31: Kandariya-Tempel

Da höre ich einen Gong vom Tempel her. Ich vergesse die Blüten, und langsam kommt der Tempel in meinen Blick, er wird scharf in den Augen. Das ist schon etwas ganz wunderbares, dieser Tempel — geweiht dem männlichen Aspekt des Gottes, Shiva genannt, der in alter Zeit seinem fraulichen Aspekt Shakti von den 112 Formen des Dhyan erzählt hat. Sie saß auf seinem Schoß, als er ihr sagte und zeigte, wie wir aus der Zweiheit von Frau und Mann, Shakti und Shiva, zur Einheit werden können, wie wir auf diesem Wege nach unten in die Erde, unsere Quelle, und nach oben in die Unendlichkeit, unser Ziel strahlen. Shiva beschrieb Shakti die 112 tantrischen Haupt-Meditationen. Sie war Fragerin und Zuhörerin, damit durch sie diese Worte für die Menschen gesagt würden.

Bevor das geschah, waren beide Eins, Ardha-Narishwára, die totale Gottheit, doch es war einsam und leer um Ardha-Narishwára, und so erschuf sich Ardha-Narishwára Shakti und Shiva, teilte sich in Shakti und Shiva, in eine weibliche und eine männliche Seite (Das ist die Schöpfungsgeschichte der Tantrikas).

Na ja, solche Geschichten werden eher für Menschen als für Götter erzählt, doch so habe ich es gelernt, und in diesem Tempel werde ich es in den nächsten Tagen wieder erleben.

Ich erlebe den Weg von diesen Blüten — das Alltägliche —, die in meinen Augen langsam undeutlich werden, hinüber zu dem dahinter liegenden Tempel des großen Shiva, der nun sehr deutlich wird — nur der Eingangsbau steht hoch vor mir, von unten bis oben verziert mit so vielen Figuren und Zeichen — wie wird es erst dahinter werden!

Ich kenne ja alles schon seit langem, war schon oft hier — doch es ist immer wieder ein neues, ein tiefes Erleben. Alles ist so gemacht, daß es mich wieder tief ergreift.

Still und ganz leise erregt gehe ich näher heran, jemand in weißer Robe kommt und bedeutet, links um den Sockel herumzugehen und die Figuren anzusehen, die im Sockel eingemeißelt sind: ich sehe Menschen, die mit Elefanten zu tun haben, andere kämpfen gegen Leute, machen Musik, unterwerfen sich hohen Herren, lassen ihre sexuellen Gelüste an Tieren aus, oder jedenfalls träumen sie davon, ihre Fantasien sind so voll davon — ist davon nicht vieles auch in mir selbst? Es berührt mich, das alles so klar und mich angreifend vor mir zu sehen.

Ich will weiter gehen, doch die Frau in der weißen Robe kommt und hält mich fest: sieh dir das genau an, schau, was in dir selbst an Regungen aufkommt — trifft es dich nicht, was alles in den Tiefen deiner Begierden sitzt? Ich lasse mich tief ein in das Betrachten dieser Bilder. Je mehr ich sie ansehe, desto stärker erinnern sie mich an so Vieles in mir und im Leben da draußen. Mir kommen die Tränen — ich weiß nicht, ob vor Scham oder Entsetzen. Da innen ist ja allerlei Schwarzes, Nicht-zugelassenes, Zugedecktes, Verstecktes, Wirres, ein großes Durcheinander. Und diese einfachen Figuren in der Wand sollen das schon aufdecken? Sie tun es, ich erkenne mich wieder.

Und so geht es weiter. Der Weg um den Sockel wird zum Weg der schmerzhaften Selbstentdeckung: wer bin ich eigentlich? Was ist alles in mir verborgen, unbekannt, verschlossen — zurückgeschoben aus der Angst, damit selbst etwas zu tun haben zu müssen, verdrängt aus Angst, daß diese Erkenntnisse schmerzen.

Und so dauert dieser Weg einige Stunden. Ich finde meine Festkleidung nun sehr affig, mag sie nicht mehr anhaben. Neben der Treppe ist eine Hütte, wo ich diese Dinge ablegen kann und einfach eine weiße Robe überziehe. Ich habe Lust, mir ein Tuch über den Kopf zu ziehen — nicht gegen die Sonne, sondern um mehr bei mir zu sein.

Dann werde ich die Treppe hoch gelassen. Ich steige die hohen und steilen Stufen mühevoll nach oben, ein schwerer Pilgergang auf den Sockel, auf dem der eigentliche Tempel steht. Er ist mir noch verwehrt. Beim Aufstieg reckt sich hoch über mir das Eingangsgebäude, herrisch, verwirrend, unendlich wirr mit den tausenden von kleinen und größeren Ornamenten bedeckt. Darin der dunkle Eingang, wieder viele hohe Stufen hoch entfernt von mir, und der Eingang ist noch verengt durch Steinornamente, die von oben vom Sturz herunterragen, wie drohende lange Zähne.

Hier auf dem Sockel stehen, sitzen und liegen ein paar hundert Menschen herum, Frauen und Männer, Alte und Junge, auch ältere Kinder — alle so wie ich gekleidet, in weiße oder gelbe oder orange Roben. Festlich sehen ihre Gesichter nicht aus, manche lachen, aber in den meisten Gesichtern stehen Zweifel, ja Weinen geschrieben, in anderen Genuß, in manchen Klarheit und Stille, reine Stille.

Auf diesem Sockel werde ich einmal um den Tempel herumgeleitet. Der Blick nach außen, über die Balustrade und über den Park in die entfernte Stadt hinein zeigt, daß ich nun ganz wo anders bin, weit weg von all dem Trubel des Städtischen. Und ein Blick zum Tempel zeigt, nun ist hier so etwas wie Märchenland. Die Außenwand ist übersät mit tausenden von kleinen und größeren Figuren: Menschen, Elefanten, Pferde, Affen und Dämonen und noch vieles mehr. Dazwischen Zeichen, die ich nicht verstehe, Ornamente oder mehr.

Mir wird erläutert, wie ich nun damit umgehen kann: schau dir diese Figuren an, genieße sie, lasse jede einzeln in dich eintreten und wirken, sieh zu, ob es tief innen eine Bewegung gibt, ob sich ein Gefühl regt, eine Freude, ein Sehnen, eine Begierde, ein Zorn oder sonst was. Und wenn etwas in Bewegung gerät, laß es zu, drücke es nicht weg, gehe in dies Gefühl hinein und laß es wirken, laß es sich ausdrücken, laß dich in dies Gefühl hineinsinken — es gehört zu dir wie deine Nase oder wie dein tägliches Leben im Dorf.

Wo eine innere Bewegung, eine Rührung auftritt, da verweile, meditiere über dieses Bild, sieh zu, was ins Bewußtsein tritt, was es innen gibt an alten Erinnerungen, und bleib´ so lange dabei, bis keine Bewegung mehr da ist. Kommt eine Begierde, laß sie zu und warte, bis sie vergeht. Kommt Wut, laß sie zu ... Und wenn es kommt, daß du schreien möchtest vor Wut oder unerfüllter Lust oder Gier, daß du weinen mußt, lachen, schreien, tanzen, trampeln, mit den Fäusten schlagen: tu es. Da sind ein paar Kissen, damit du dir nicht die Fäuste verletzt.

Doch bleib´ bei dir, ganz bei dir, fasse niemanden an, sprich niemanden an, laß alle ihre eigenen Wege gehen. Es ist total deine eigene Sache. Und wenn du Hilfe brauchst, geh zu den Helfern, den Bhikkhus oder Bhikkhunis.

Und ich brauche Hilfe — wie immer, wenn ich hier bin. Die Figur einer Frau ist da, sie öffnet ihren Rock und zeigt die Blöße, ihre nackte Yoni allen, die es sehen wollen. Doch ein großer Skorpion kriecht ihr am Schenkel hoch und bedroht sie mit seinem giftigen Stachel. Bin ich der Skorpion, sind wir Männer die Skorpione? Sind wir so wenig Liebe, daß es immer wieder eine Gefahr für die Frau ist, sich zu öffnen?

Eine Bhikkhuni frage ich, was sie da fühlt, sie sagt, fühle dich mal selbst als Frau, und dann dies ... Ja, das Bild zeigt mir das Riskante des Frau-Seins: einerseits die Lust, sich als Frau ganz zu leben und zu öffnen, andererseits diese gefährliche Bedrohung ... das Leben hat auch immer schreckliche Giftstachel bereit; Stachel, die bereit sind, Leben und Leib und sogar die Seele zu vergiften und zu quälen.

Ich spreche einen Bhikkhu an, wozu diese kleinen Elefanten überall abgebildet sind, und besonders, was die Figur bedeutet, die einen Elefanten zeigt, der einen nackten Menschen gefangen hält und ihm den Kopf zermalmen will. Und was dies oder jenes Symbol wohl bedeutet.

Der Bhikkhu sieht mir in die Augen, ganz still und rein und ohne ein Ziel, und er sagt: du bist hier doch nicht zum Diskutieren hergekommen, doch nicht um dein Wissen zu erweitern ... setz dich davor und sieh dir die Szene an. Sieh sie dir an bis das Denken ein wenig in den Hintergrund fällt und das, was da geschieht, dich ergreift, und dann verstehst du.

Und wie ich eine Stunde oder zwei vor dem Elefanten sitze, der den nackten Menschen zu zermalmen droht — da kommt es, ICH bin dieser Mensch, ohne Schutz, nackt dieser Riesen-Gewalt ausgeliefert, vom Elefanten symbolisch dargestellt, ganz nackt, bloß, ungeschützt und ohne Möglichkeit, mich zu retten, nein: meinen Leib, mein Leben zu retten; es würde furchtbar weh tun und meinen Leib zerreißen ... Und nun kommt diese Angst wieder nach vorne, die ich immer zu verdrängen versuche, wenn unser Elefant so mit den Augen rollt ..., und mein Leib, meine Seele beginnen zu zittern, diese Angst ist ganz deutlich — und nun entdecke ich etwas Neues: ich sehe diese Angst, beobachte, wie sie in mir umherkriecht und hier und da etwas anrichtet — doch von einer Stelle aus in mir kann ich es ganz kalt beobachten, wie von außen zuschauend. Und noch etwas: die Angst öffnet einige vorher verschlossene Verließe mit Gefühlen drin, die ich lange vergessen hatte: allerlei Dinge von früher, ja es scheint mir: nicht einmal aus diesem Leben, vielleicht aus früheren Leben?

Ach, ich kann es nicht in Worten sagen, nicht einmal mir selbst: die Worte dazu gibt es nicht, jedenfalls kenne ich sie nicht. Vielleicht ist unsere Sprache zu arm und nur geeignet für die praktischen Dinge des Lebens aber nicht für so was.

Nachdem ich ein paar Stunden hier verbringe, werde ich ganz ruhig, kann mir all diese schrecklichen Bilder von den wütenden Elefanten ganz ungerührt ansehen. Gerade will ich mir etwas anderes aussuchen, als gesagt wird, wer Lust hätte oder das Bedürfnis, könne nun — auf dem Sockel des Tempels — an einem Ritual teilnehmen, das sie mit einem alten griechischen Wort "Katharsis", das ist Reinigung nennen.

Ja, es geht um Schreien, nun dürfen alle schreien und trampeln. Ein paar Musikanten kommen und beginnen erst sanft, dann langsam schneller werdend eine fetzige Musik zu spielen, aufreizend, herbe, stakkatisch, hart ... Ich stehe etwas steif herum und traue mich zuerst nicht, es ist so seltsam, so anders — wieso soll ich eigentlich nach außen schreien? Reicht es denn nicht, es innen zu sehen? Ein Bhikkhu kommt und reizt mich auf, äfft mein offensichtlich hochmütiges, gelangweiltes Gesicht nach, übertreibt das noch karikaturartig, trommelt vor mir mit den Fäusten in der Luft.

Dann schreit er mir Vorwürfe ins Gesicht, wie blöde ich sei, wie ich immer so daherstolziere, was ich immer für intelligente Gedanken mit mir herumtrage, wie ich immer den Scheinheiligen hervortue — und in Wirklichkeit doch ... — und er beleidigt mich bis aufs Blut, bis schließlich etwas in mir überspringt, wie ein Blitz in einen Baum. Plötzlich schreie ich los, fahre auf den Bhikkhu los und greife ihn an — so hatte er mich getroffen, irgendein Wort hat's getan. Doch er lacht nur, wedelt mit der Hand und ruft, rühr mich nicht an, rühr dich lieber selbst an, zerreiß all deine Grappen im Kopf, fetze sie hinaus, schmeiß sie in das Feuer da unten, das nun in der Dämmerung im Park brennt, in hell-lila Flammen. Schrei alles hinein, alles was dir einfällt, speie es hinein, schleuder es hinein, tritt es hinein. Und ich tobe und schreie und sehe nichts anderes mehr. Immer neue, immer weitere Trümmer von Dämonen kommen an die Oberfläche, lange, lange geht es so — bis schließlich der Körper nicht mehr mitmacht —

— er fällt hin, krümmt sich zur Seite und ein Zittern, ein Heulen, ein jammervolles Schluchzen kommt hervor. Wieder kommt der Bhikkhu und sagt, sei nicht so wehleidig, leg dich auf den Rücken und laß alles geschehen, mach dich offen und verletzbar —, und dann spöttisch: so wie du da liegst, wie ein kleines schluchzendes Kind, wie es nach der Mami wimmert — das bringt's nicht. Leg dich auf den Rücken, öffne dich und laß alles raus, was noch darauf wartet. Und ich heule, brülle, der Körper wälzt sich, dann geht es über in noch lauteres Brüllen, in Zorn, schließlich in Lachen, am Ende in ein stilles, leichtes, sehr heiles Lächeln —

— in ein leichtes Lächeln. Ich setze mich an die Brüstung und bin mit einem mal ganz hell, sehe alles — die anderen Leute wie sie noch in den Leiden und dem Schreien sind wie ich vor einiger Zeit, oder auch wie sie ganz still und leicht da sitzen und verwundert umhersehen. Einige tanzen leicht und gelassen zu der nun fast süßen Musik. Ein paar kleine Feuer auf dem Sockel erhellen alles in dieser Nacht. Es wird stiller. Ein paar Bhikkhus verteilen Decken und wir wickeln uns ein. Ich liege noch lange und sehe in die Sterne, mein Gesicht ist von Tränen, Speichel und Staub verkrustet — aber ich kann dazu stehen, es gehört zu dem, was ich will.

Lange liege ich noch wach. Ein leises Vibrieren ist im Körper, eine verwunderte Stille in meiner Seele, eine ziemliche Leere in meinem Schädel. Nun höre ich jeden Laut der Natur, das leiseste Geräusch der anderen Menschen, die ähnlich wie ich still liegen. Ein großer Vogel fliegt so leise umher, daß er nur sichtbar aber nicht hörbar ist. Tiefe Stille in mir.

Doch dann, so gerührt bin ich, Tränen fließen nun, Tränen, Tränen der Rührung und des tiefen Loslassens.

Von einem anderen Tempel klingt leise Vina-Musik herüber, süß, ein wenig lockend — doch ich beobachte es zwar, aber es lockt mich nicht. Überhaupt: das schlichte Beobachten ist eigentlich alles in mir, außen und innen. Dennoch die Tränen —

Ich setze mich auf, nasses Gesicht, mir gegenüber sehe ich durch die Tränen an der Tempelwand die schöne steinerne Figur der geliebten Göttin Saraswathi. Sie spielt auf der Vina — gerade das, was aus dem Garten herauf klingt (wie die Bronze auf Bild 30, Ragi-Buch xxx).

Auch sehe ich eine Figur an der Wand, wie eine Frau ihrem Geliebten eine brennende Fackel reicht, es ist das Feuer der Ekstase, das die Frau dem Mann reicht, sie ist es, die das Feuer entzündet. Es ist die Frau, die die Ekstase in die Welt bringt, immer wieder! Wieder kommen mir Tränen, viele Tränen der Trauer, tief innen ist alles so weit weg, die Frau ist so weit weg. Ich fühle mich einsam ...

Am Morgen ist es kühl, Nebel im Park, die Turmspitzen der Tempel ragen daraus hervor, ein paar eingenebelte Bäume, ein paar Reiher fliegen als graue Schatten darüber. Ich denke an den vergangenen Abend und weiß: es ist eine gute Sache gewesen.

Ein heißes Getränk wird gebracht, und ein Bhikkhu singt

— begleitet von einer Geige — ein paar einfache Gesänge zum Lobe von Gott Shiva, der einerseits tief in uns zu erfahren ist, dem andererseits im Innern des Tempels ein Altar mit seinem Symbol, dem Lingam aufgestellt ist.

Ein anderer Bhikkhu zitiert dann etwas aus dem Vighyana Bhairava Tantra, der Sammlung von Meditations-Anweisungen Shiva´s an seine Gemahlin Shakti (Endnote 40): er beginnt mit der Anrufung des Friedens:

»Om, Shantih, Shantih, Shantih«

und dann der Text:

»Indem du einfach in den blauen Himmel über den Wolken schaust — die heitere Gelassenheit« »Om, Shantih, Shantih, Shantih«

Und er erläutert uns diese Meditation: lege dich einfach auf den Rücken und versinke mit dem Blick in der unendlichen Bläue des Himmels, ohne zu plinkern: das ist ein Weg, alles loszulassen, alle umherjagenden Gedanken und Sorgen im Kopf loszulassen. Und so bereitest du dich vor für die Entdeckung der Stille in dir — in heiterer Gelassenheit.

Alle sitzen zusammen. Und wie der Bhikkhu geendet hat, beginnen wir zum Klang von Klangschalen einfach zu summen — eine lange Zeit, fast bis zum Mittag, langsam löst sich dann das Summen auf und wir sitzen still.

Und es folgen andere Arbeiten an den Seelen und immer neue Erlebnisse tun sich auf. So geht es fort über ein paar Tage, bei einigen noch länger, bei manchen bis zu einem halben Jahr.

Und einmal spricht mich die Bhikkhuni an und meinte, nun sei ich bereit, innen im Tempel am Chakra Puja teilzunehmen. Das ist nun eine erregende Nachricht, es kommt so etwas hoch wie „ich bin doch noch etwas, bin doch noch wer, es ist noch was anderes in mir als nur diese Dämonen und Begierden, dieses wirre Zeug“. Es kommt Hoffnung, daß ich nun ein wenig klarer werden könnte, daß diese dumpfen Hemmungen und Behinderungen in meiner Seele endlich mal wieder durchlässig werden. Ich fühle auch, wie ich ruhiger, reiner, ausgeglichener werde.

Morgen oder übermorgen, sagt sie, sei bereit, und gehe nun noch mehr in die Stille, pflege die heitere Gelassenheit, halte dich etwas entfernt von den Figuren und von den unruhigen Menschen hier. Aber vertiefe dich noch mehr in die abstrakten Symbole höher am Tempelturm und sieh, was sie für dich bedeuten.

Meine Sinne, mein Gang und meine Sprache sind langsamer geworden, sicherer, eindeutiger. Es kommt nun kaum noch vor, daß ich etwas sage um mich selbst darzustellen oder gegen andere meine Besonderheit zu beweisen. Die wilden Wellen und Stürme, die meine verwirrte Seele immer wieder überfallen hatten, sind nun still geworden.

Es wird uns aber nie gesagt, was eine Figur, ein Symbol, eine Zeremonie bedeutet. Wie der Bhikkhu sagte: „du bist hier doch nicht zum Diskutieren hergekommen, doch nicht um dein Wissen zu erweitern ... setz dich davor und sieh dir die Szene an“.

Und da sind ganz eigenartige Symbole, sicher: sie wiederholen sich, aber oft sind sie ein klein wenig verändert, hier ein Haken mehr, dort fehlt innen einer ...

Ich stehe unten am Hauptturm, am Shikara und sehe nach oben: er ist übersät mit nur einem Symbol, aber tausendfach wiederholt. Was bedeutet das nur? Ach, schon wieder das Deuteln, das Nachdenken.

Ich soll ja hinsehen, es verinnerlichen und zusehen, was in mir damit geschieht. Erregt das Symbol ein Gefühl? Vielleicht ist da eine Regung, doch ich kann sie nicht bemerken, sie mag ganz tief sein, unsichtbar für mein Bewußtsein, für mein noch oberflächliches Bewußtsein.

Und oben hat der Turm eine Art Krone — man sagt, sie versinnbildlicht sie eine Lotus-Blüte, die wiederum das Symbol für die Verbindung meines Atman mit dem All ist — wie ein Strahl, der oben aus meinem Scheitel, dem Sahasrar, hinausgeht in die Unendlichkeit. Eine sich öffnende Lotus-Blüte: wir öffnen uns dem Einssein mit der gesamten Existenz.

Und dann sind da noch kleinere Neben-Kronen — was sagen die mir?

Ich bin ganz still, sehe lange hinauf zum Shikara und den vielen immer gleichen Symbolen — und es wird immer ruhiger in mir. Ich bekomme Abstand von all den anderen Leuten, die um mich umher sitzen, schreien, toben, weinen, lachen, ihre Körper streicheln, schlagen, liebkosen und noch vieles mehr — das alles sehe ich zwar, aber ich bin unberührt, es ist weit weg. Ich sehe es klar und deutlich und erinnere mich auch an meine eigenen Tage zuvor — aber es ist nun weit weg.

Ich fühle mich umhüllt, geborgen, sicher und eins mit mir und der ganzen Existenz, der ganzen Schöpfung. Es gibt weder Raum noch Zeit mehr. Ich bin — bin ganz da.

Auch gehe ich wieder in den Park und erlebe ihn nun anders: ich sehe klarer, ja manchmal glasklar, überklar alles, was da ist. In mir ist eine große Reinheit. Die Musik klingt nun wie von vollendeten Musikern gespielt, ich höre keine falschen Töne mehr — oder richtiger: sie berühren mich nicht mehr, obwohl es sie wohl gibt. Ich erkenne sie, aber sie gleiten an mir vorbei.

Und ich sehe die Menschen klar, sehe in ihren Gesichtern, höre in ihrer Sprache und fühle in ihren Bewegungen, was in ihnen ist. Die Leute berühren mich so sehr, daß wieder die Tränen kommen — vor Rührung oder Freude an der Nähe, Freude am Erkennen.

Schließlich an einem späten Nachmittag werde ich gerufen zur Vorbereitung auf das „Chakra Puja“. Eine Stunde vor Sonnenuntergang soll ich am Fuße der Treppe sein, die ganz in den Tempel hinaufführt. Und wieder sind die Stufen so hoch, es ist noch mühsamer, nach oben zu klettern.

In langen orange Gewändern sind wir, wie die aufgehende Sonne, wie die Farbe des Vertrauens zwischen Menschen, die alte Farbe des spirituellen Schülers, des Sannyasin´s. Für diesen Gang werden sie uns umgelegt.

Langsam steige ich hoch, es ist wie ein Weg in den Himmel. Es scheint als wäre ich noch nie so hoch geklettert. Und immer noch sind hoch über mir das Tor und die Tempeltürme, sie stehen nun ganz steil über mir.

Aus dem Tor klingt leise eine schlichte Musik, mit der Vina angezupft.

Im Eingang empfängt mich eine Frau in langem, ganz weißem Kleid, ganz schlicht. Lang hängen ihre vollen, schwarz glänzenden, leicht gewellten Haare herab, sie sieht weich und wild zugleich aus. Ihr braunes, schon etwas zerfurchtes Gesicht paßt zu dieser Wildheit, doch nicht ihre zarte und helle Stimme. Sie begrüßt mich mit zusammen gelegten Händen und einer leichten Verbeugung, und ich erwidere ebenso. Diese Frau sagt ein paar einführende Worte und segnet mich.

Eine warme und leise Lebendigkeit umgibt diesen Eingang. Aus dem Tempel kommt diese einstimmende Vina-Musik und ein feiner Duft. Im Eingangsgebäude, im Mandapam bleiben wir stehen.

Langsam komme ich an in dieser Stimmung. Vom sonnenheißen Tag sind die Steine warm — so wie die ganze Stimmung hier. Durch die Mauerfenster sehe ich die benachbarten Tempel. Eine der Frauen nimmt mir die orange Tücher ab, ich lege mich auf eine Bank, und sie massiert leicht meine Haut und reibt sie mit einem duftenden Öl ein, ganz leicht, und dann bekomme ich auch ein weißes Gewand.

Wir gehen weiter und betreten einen etwas größeren Raum, das Antaral, eine Säulenhalle unter einem schweren mit Ornamenten verzierten Steindach. In den Nischen daneben sitzen Musiker und andere Menschen, die uns helfen werden bei diesem Ritual, erfahrene Zeremonien-Meister und ihre Helfer. In der Mitte dieses Raumes brennt ein kleines Feuer, aus dem die Düfte aufsteigen. Um das Feuer sitzen schon ein paar weiß gewandete Leute im Kreis — Chakra heißt Kreis

—, Frauen und Männer abwechselnd, und ich erkenne keine von ihnen.

Ich gehe tiefer in den Tempel hinein: Hinter der kleinen Säulenhalle ist das Allerheiligste, das Garbha-griha, der geheimnisvolle, dunkle Schrein mit dem Symbol für die Gottheit, die für das steht, was hier diese Nacht geschehen wird.

Das Garbha-griha ist der Mutterbauch jedes Tempels. Wir sind im Shiva-Tempel, und so findet sich hier Shiva´s Lingam, sein mächtiger Phallus — der Macht des männlichen Gottes entsprechend. Doch der Lingam ist umfaßt von einer ovalen Rinne, sie stellt Shakti´s Yoni, ihre weite und liebevolle Yoni dar, die noch mehr Macht hat, den Lingam bewahrt und schützt. Das sind seit Urzeiten die wichtigsten Symbole unserer ekstatischen und energiegeladenen Religiosität: sie deuten auf den stärksten und tiefsten Urgrund menschlicher — also auch göttlicher — Erfahrung, nämlich auf das vollständige Aufgehen in der sexuellen Ekstase und weit darüber hinaus, das völlige Aufgehen in das Ganze, in die ganze Existenz. In der Wiedervereinigung von Shakti mit Shiva — eine Zurückholung des Ardha-Narishwára für einen Teil dieser Nacht, das ist eines der höchsten Ziele tantrischer Rituale — es führt in die höchst mögliche Erkenntnis, „mehr als alle Vernunft“, ... „zum kosmischen Bewußtsein“.

Hier ist eine Zeichnung aus einem kleinen Dorftempel, der Lingam wird gerade mit Milch und Honig übergossen, als Verehrung, Anbetung.

Bild 32: Shiva-Lingam-Shakti-Yoni,
Anbetung, Prasad (Opfer mit Milch und Honig)

Ich gehe um den Schrein links herum und berühre immer wieder mit den Händen die Steine und dann meine Stirn, ich berühre den unteren Rand der Mauer und wieder meine Stirn — alles Symbolik für mein Öffnen für die Gottheit: durch sie kann ich den Weg in das Eins-Sein mit der Existenz finden. Und es ist auch Zeichen meiner Verehrung und Dankbarkeit. Später setze ich mich zu den anderen in den Kreis, auf ein Kissen.

Doch noch stehe ich vor dem Eingang zum Schrein, berühre noch einmal verehrend und dankbar die Schwelle mit meiner Stirn, und ein Bhikkhu kommt mit einer Öllampe, er schwenkt sie vor dem Bild von Yoni-Lingam und hält sie mir vor: dreimal lege ich meine Hände wie aufnehmend mit den Innenflächen über die Flamme und führe die Hände in gleicher Weise leicht über meinen Kopf — damit geht ein kleiner Teil der segnenden Kraft der Verehrung auf mich über und wird mir helfen, mich weiter zu öffnen. Ich erinnere mich, daß der Weg in die Tiefen des Tempels symbolisch ist für den Weg in meine eigenen Tiefen — symbolisch nicht wie ein gesprochener Hinweis sondern eher wie eine Erinnerung.

Sehr rührt das Ganze mich an, Tränen der Rührung ... Es berührt mich so, daß mein Leib zittert. Ganz lasse ich meine Sinne los und falle in die Tiefe der Gottheit, in vollständiger Verehrung vor diesem Unendlichen.

Und dennoch: ich bin ganz wach, mit hellen Sinnen, mit großen hellen Augen spüre ich alles, was außen ist und was innen ist.

(Ich kann das heute so sagen — doch in dem Augenblick geschah es 

einfach und ich beobachtete alles, was geschah und was ich erfuhr, 

aber es war keine Sprache da. 

Ja, das Beobachten, das schlichte Zeuge-Sein, das ist es, was uns von 

der ermüdenden Dauertätigkeit des Gehirns erlöst, von dem inneren 

Umherwirbeln bei Tag und Nacht, selbst die Träume bestehen daraus. 

Sonst kommen wir nicht zur Ruhe, Religion ist ohne diese Ruhe nicht möglich ..., 

Stille ist nicht möglich. Doch hier ist es anders, und es entsteht die Idee, 

das alles mit ins tägliche Leben mitzunehmen.)


Wir sitzen am Boden im Kreis um das kleine duftende Feuer. Die Ruhe geht tiefer. Langsam, langsam wird der Verstand ganz still, du kommst näher an die Mitte deines Seins. Es entsteht eine Einheit mit allen Leuten hier. Es beginnt das Gefühl des Eins-Seins mit dem ganzen Tempel, mit dem Park rundherum, mit der Stadt, dem Land, dem ganzen Universum.

Ganz leise und einfach spielt eine Flöte, sie verliert sich in der Stille des Tempelraumes, in unserer inneren Stille, in der Stille der Unendlichkeit.

Du verlierst dich in dieser Einheit mit der Unendlichkeit. Alles ist nun still, vollständig still. Es kommt dir so vor, als ob du dich zu der unsichtbaren höchsten Spitze des Turms, zum Sahasrar erhebst, zum Sahasrar in dir selbst. Dein Körper — wenn es so etwas noch gibt — befreit sich vom Untergrund, ein ganz leichtes Gefühl ...

Nach einer langen Zeit werden wir durch eine heraufkommende Musik zurück geholt in diesen Raum. Die Musik wird tänzerisch, wir stehen auf und tanzen ein wenig, die Körper werden wieder fühlbar, ich fühle jeden Teil, jede Bewegung. Es wird ein Getränk gereicht, das wir langsam trinken, es macht uns leicht und offen, ich habe eine Vision von blau, von kristallischem Blau.

Immer noch sitzen wir in dem Tempelraum, das Feuer gibt etwas Licht, draußen ist es ganz dunkel, es muß so um Mitternacht sein. Ein paar leise Tierstimmen sind zu hören. Vom Feuer steigt leichter Rauch auf, der durch eines der Fenster abzieht. Der Rauch duftet wie der ganze Raum. Die leise Musik im Hintergrund — ist sie von außen oder von innen?

Nach einer Pause geht der Weg weiter, tiefer, tiefer in die Einheit mit dem Universum: wir feiern nun das Chakra Puja, Frauen und Männer in der Begegnung des Upavishta-Rituals — die energie-stärkste Form der Begegnung zwischen Mann und Frau, die ich kenne.

Das Upavishta-Ritual: Jeder Mann sitzt im Lotus-Sitz und eine Frau setzt sich gelassen und einfühlsam auf seine Oberschenkel und legt die Beine um das Kreuz des Mannes. Der Mann legt die linke Hand auf das Kreuz der Frau, die rechte in ihren Nacken, die Frau schlingt ihre Arme um seinen Nacken.

Erst berühren sich die Körper ganz unten — leicht —, dann steigt die Berührung weiter nach oben. Beide sind ganz offen und aufmerksam, spüren, was im Innern und im Partner vorgeht. Die Vorderseiten der Körper nähern sich immer mehr. Es ist wie ein Austausch von Energien zwischen den beiden Vorderkörpern, als ob Licht-Gänge hin und her strahlen. Wir gehen sehr sorgsam miteinander um, sehr sorgsam. Wenn beide Körper bereit sind, wenn die Yoni sich öffnet und der Lingam die volle Größe und Stärke erreicht hat, vereinen sie sich, und liebend umfaßt die Yoni den vorwärts und einwärts strebenden Lingam.

Die Stille der Bewegung ist das wichtigste — und wenn jemand in eine körperliche Ekstase oder gar Eile kommt ... wir können es, wie wir die Ekstase nach oben leiten, durch den ganzen Körper, entlang der Wirbelsäule. Und ein leichtes Vibrieren zeigt, wie die Energie nach oben streicht.

Schließlich entsteht in der gemeinsamen Stille eine aus der Spannung geschaffene Energie, die durch den ganzen Körper läuft, von unten aus dem Boden, sich nach allen Seiten ausbreitet, alles erfüllt und oben aus dem Scheitel wieder hinaus schießt — in die Spitze des Tempelturmes, das Shikar, hinein, in das Symbol des Sahasrar. Von da strahlt sie aus in die weite blaue Unendlichkeit — und so fühle ich mich mit der Unendlichkeit verbunden, ich bin ein Teil der Unendlichkeit, nichts Gesondertes mehr. Wie umgeben von einem großen und wilden und wirbelnden Meer fühle ich mich, umgeben von Gischt und Wellen und ruhe in der Mitte ... doch nichts Gesondertes mehr.

Bild 33 : Upavischta im Jagadambe-Tempel

Meine Partnerin hilft mir einfach, dieses in mir selbst ganz zu erleben, sie ist nicht mehr mein Gegenüber, sie ist nur noch Helferin.

Und ich helfe ihr, sich zu erleben, ich bin nur ihr Helfer — die Spannung zwischen Weiblich und Männlich macht es möglich.

Nach ein paar Stunden kommen wir zurück. Ich bemerke, daß ich die ganze Zeit alles mit ganzer Klarheit und Stille beobachtet habe, jede Regung beobachtete ich ohne mich aus der Stille heraus zu verlieren — ich hatte mich nie verloren, es gab keine Zeiten des Versinkens in Unbewußtheit, ich beobachtete mich und alles rundherum — die ganzen Stunden lang.

Ich habe die reine Bewußtheit erlebt (Endnote 33) — wenn auch nur für diese kurze Zeit, aber es war so erholsam, so stärkend für mich. Ich weiß: hier habe ich etwas ganz Wertvolles für mich selbst getan. Ich fühle mich so rein wie die Lotus-Blüte, die eigentlich im Schlamm wurzelt aber mit größter Reinheit aus dem Wasser herauswächst, ganz weiß über dem Schlamm — ein altes Symbol für die Buddhaschaft in jedem Menschen, Buddhaschaft in jedem Menschen.

Es wird wieder hell, und gelassen verlassen wir das Innere des Tempels, wechseln unsere Kleider und bekommen ein wenig duftendes Öl an den Leib gerieben. Die aufgehende Sonne scheint in den Mandapam hinein und macht alles hell-purpur.

Ganz rein und kristallen klar treten wir in den Morgen, Vögel zwitschern und rufen, Blumen duften, selbst das Geschrei der Esel klingt wie Musik, die Dämpfe aus den Gräben sind angenehm, alles gehört zum Selbstverständlichen der Existenz, es gibt nichts zu bemängeln.

Noch einmal gehe ich um den Tempel. Diese vielen Figuren — nun sind sie mir sehr vertraut, sie sind nicht mehr unübersehbar. Über manche muß ich lachen: so sehe ich ein Wildschwein auf zwei Menschenbeinen, mit vier Menschenarmen und allerlei Menschlein und Tieren rundherum, auf dem erhobenen Kopf trägt das Schwein eine flache Scheibe.

Jemand erläutert mir: dieses ist eine unserer Hindu-Gottheiten, Vahara. Ein Bhikkhu meint, ja nun bist du so weit: nun hast du keine Ehrfurcht mehr vor all diesen Erscheinungen, sie sind dir nun nur noch Erscheinungen des menschlichen Denkens — nun bist du jenseits all dieses Denkens und dieser Ideen angekommen, nun mußt du lachen. Ja das ist ja das Ziel ...
Ich sitze ein paar Tage im Park und verdaue das Erlebte. Und genieße die Schönheiten und Blumen.


Ich, Stefan, lese diese Geschichte, lese sie noch mal, und innen klingt diese Musik der Vina. Auch mir kommen Tränen. Ich lese sie Ragi vor und uns beiden kommen Tränen, ich kann kaum vorlesen, sehe die Schrift nicht mehr. Anuragini hört sie auch, wie ich das vierte Mal lese, ihre Tränen sind eine Erinnerung an ihren Mann, der sie schrieb — weil er sie erlebte.

Ragi legt eine Platte auf, eine Vina klingt, ja so hatte ich mir diese Musik vorgestellt.




Kapitel XV — Khajuraho und wir

Da liegen noch mehr Zettel über die Tempel in der Mappe. Einer beschreibt die Figuren an den Tempeln, Anuragini liest sie vor: Die zahllosen in Stein gebildeten Menschen, die übereinander in zwei Reihen an den Außenwänden angebracht sind, sind von höchster Anmut, ich habe so was noch nicht gesehen. Sie sehen alle sehr schön aus. Einige stellen Hindu-Götter dar. Man kann sie an bestimmten Dingen erkennen, die sie auszeichnen, zum Beispiel 4 statt 2 Arme, besonderer Schmuck oder Waffen usw.

Für uns Europäer ist die Kleidung dieser Figuren eigenartig: natürlich ist sie sehr leicht, besteht aus nur einer dünnen Stoffschicht, sieht wie Seide aus — bei diesem Klima geht es gar nicht anders. Auch sind die Figuren mit vielem Schmuck behangen — alles Stein. Vielleicht waren die Figuren mal farbig angemalt, doch ich kann keinerlei Reste von Farbe sehen. Meistens sind nur die Beine bekleidet, mit einer Art Strümpfe oder Seidenumwickelung, gehalten von reich verzierten Strumpfhaltern, die an noch mehr geschmückten Gürteln hängen. Alles ist nach außen gekehrt, wo doch im Westen bei den Frauen und Mädchen gerade die Strumpfhalter und die Gürtel und Unterschlüpfer das Unsichtbarste sein sollen, meinen unsere Frauen, sie werden immer mit viel Fleiß verborgen. Und dennoch lassen sie es zu, daß gelegentlich das Kleid hochweht ... Doch bei den Figuren von Khajuraho liegen sie gerade außen und verzieren den Körper in großem Maße. Da braucht kein Kleid hochzuwehen (es weht hier ja eh fast nie Wind), es ist ja alles sichtbar, sowieso. Heute trägt in Indien niemand mehr solche Kleidung, und ich weiß auch nicht, ob es je so war oder ob diese Art Kleidung eine andere und unerklärliche Bedeutung hat, vielleicht ein symbolische. (Mehr hierzu im Blog "die mittelalterliche Khajuraho-Kleidung": http://wickelstruempfe.blogspot.com/ , dazu schonmal ein Bild:

Bild 34: Wickelstrümpfe in Khajuraho, gezeichnet nach Steinfiguren am Tempel.)

Anuragini holt eine weitere Mappe, die sie kaum erst studiert hatte. Hier müssen wir mal reinsehen ... oh ja, hier sind auch ein paar Zeichnungen von Prakash ... und noch mehr Notizen. Und da ist ein Zettel, auf dem steht etwas über einen Mann, der Gorakshanatha heißt, sie liest vor: „Manche Inder erzählen mir, daß der große Yogi Gorakshanatha aus Nepal manches beigetragen habe zum Entstehen dieser Tantra-Gemeinde. Er sei von den Chandeela-Fürsten eingeladen worden ... Doch wenn ich in seinen Schriften lese — Shivadas hat mir einiges gezeigt —, da finde ich nichts, was ich in Khajuraho wiederfinde.“ (Endnote 41)

Ragi sieht mich an, mit bedeutungsvollem Blick: siehst du unser Ziel? siehst du, was da noch ist? siehst du, wozu ich dich eingeladen habe? und noch sind wir so weit entfernt; siehst du, wo es hingehen kann? viele Wege sind noch zu gehen, oder? — Tantra ist so voller Rätsel, auch in Indien selbst. Ragi dringt auf mich ein, noch mehr aus dieser wunderlichen Welt des Tantra zu erforschen, auch an uns selbst. Es ist vielleicht eine Menschheitsaufgabe! Sie weist auf den mittelalterlichen Pilger in Khajuraho in Prakash´s Geschichte ... — ach, da war ja noch vieles vorher. Mal sehen, was in Vater´s Mappe an Bildern ist, die wir ansehen und für unsere Gefühle nutzen können.

Für unsere Gefühle? frage ich unsicher ... manchmal bin ich doch sehr an das gebunden, was die Schule lehrt, und denke:

... über Gefühle das Leben zu leben ist doch sehr ungewöhnlich, eigentlich tut man das nicht, das geht doch am wirklichen Leben vorbei. Man könnte doch zu schnell in Schmerzen reinrutschen oder enttäuscht werden. Die Gefühle gehören doch zu Dichtern oder Malern, in deren Ecke. Das ist ihr Beruf und sie bekommen Geld dafür, so denke ich. Gefühle sind doch nicht wirklich, also sie sind nicht lebensnah, man kann nur wenig damit anfangen. In der Schule zum Beispiel besprechen wir ein Gedicht oder ein Gemälde, und wenn wir das alles nicht verstehen — wozu schreiben die solche Gedichte, schwülstig finde ich sie oft, oder wo werden solche Gemälde hingehängt? —, dann reden die Lehrer immer wieder davon, daß wir diese Kunstwerke — wie sie sagen — erfühlen sollen, mit dem Gefühl erfassen oder gar erleben sollen. Das fällt mir aber meistens schwer! Und nun fängt die Ragi auch damit an. Nochmal frage ich, ist das denn gut, solche Sachen für die Gefühle zu benutzen, und was machen wir dann damit? und sie geht darauf ein:

... du hast es doch mit mir erlebt! Wie ich tanze, wie ich mich kleide, diese Musik, dieses Haus! Wie ich dich streichele, und du mich! Das erregt doch deine Gefühle, und du bist in einer anderen Welt, könnte man sagen. Du bist verführt, ja? Was ist zum Beispiel, wenn ich dich anfasse, dich streichele? und Ragi berührt meinen Arm. — Nun sind sogar meine Worte berührt, sie sagen:

Oh, da geht mir ein Wonneschauer über meinen ganzen Körper, zieht sich auf der Haut so hier- und dahin. Besonders wenn du mich am Handgelenk oder im Nacken ... und sieh dir die Härchen auf dem Arm an: sie richten sich auf!!!

Ragi berührt mich am Schenkel, ganz oben, Ist das ein gutes Gefühl? Und nun? — Ja, ja, ein großes Gefühl, auch innen, aber ganz wohl ist mir doch nicht dabei. Ich habe gerade lange Hosen an und spüre ihre Hand nicht so richtig. Das ist das Körpergefühl, magst du das? Ja, ich mag es ... Kannst du verstehen, warum ich so gerne einen Rock trage? fragt sie, das habe ich ja schon erzählt, wie der Wind meine Beine streichelt, unter dem Rock. Schade, daß ihr Jungen das nicht kennt, oder? —

Doch ich kenne das bei kurzen Hosen auch. Und sogar im Winter, als ich noch jünger war und lange Strümpfe anhatte, und die kalte Luft zwängte sich zwischen Strumpf und Unterhose, das war schon gut! Aber das ist nun vorbei, das hatte seine Zeit. Ich erzähle Ragi — etwas verschämt und zögernd:

Weißt du, das ich früher immer den großen Wunsch hatte, einen Rock oder ein Kleid zu tragen? Es war mein größter Wunsch, eigenartig, was?

Ragi findet das garnicht eigenartig, denn sie liebt ja Röcke und was dazu gehört. Nein, ich meine, für einen Jungen ist das doch eigenartig, oder? Aber sie meint, warum denn nicht, ich verstehe nicht, was die Leute immer haben — ich glaube, es sind nur die Männer und Jungen, die da meckern und spotten, die Mädchen meistens nicht. Vielleicht haben sie heimlich gleiche Wünsche, aber ...
Ich habe das Sehnen noch immer, erzähle ich weiter. Zögernd sage ich nach einer Weile:

... natürlich habe ich manchmal heimlich auch Mädchensachen angezogen, aber zuhause nichts darüber gesagt — das haben doch viele Jungen, ist doch irgendwie was, wo man sich hinsehnen kann. Ich kenne eine Frau, eine Verwandte meiner Mutter, Louise heißt sie. Na, als ich so 10 oder 11 war, besuchte ich sie manchmal, blieb in den Ferien auch mal ein paar Tage. Sie ließ mich im Zimmer ihrer großen Tochter schlafen, die schon längst in einer anderen Stadt wohnte. Aber ihre Sachen hatte die Tochter noch hier, also ihre Kinderkleider und so. Abends sah ich heimlich in den Schrank und strich verzückt über diese Sachen, über die Kleider, die Röcke, erfreute mich am seidigen Gefühl der Unterröcke und schließlich auch ihrer Höschen und Seidenstrümpfe, die ich in einer Schublade fand.

Wenn niemand zuhause war, zog ich diese Sachen auch mal an, auch einen Strumpfhaltergürtel fast nur aus Spitzen gemacht — so wie du einen hast — fand ich und zog ihn an, und ich besah mich in einem großen Spiegel im Garderobenraum neben der Haustür. Oh, war das ein Gefühl!

Ich hielt an und dachte ein wenig nach, ja, Gefühl, nun weiß ich, was du meinst. Doch ich merkte dann auch, daß mein Lingam steif wurde, was mich beschämte. Und das gehörte nach meiner Meinung nicht zum Schönen dieser Gefühle. Das beschämte mich, verwirrte mich.

Und dann kam, was kommen mußte: einmal kamen die beiden jüngeren Töchter unerwartet nach Hause, als ich vor dem Spiegel tanzte und den Rock lustvoll fliegen ließ und ich daran Spaß hatte. — Das war gewiß gut, so blieb es kein Geheimnis. Sie wunderten sich zuerst, doch dann tanzten sie mit. Sie waren damals 13 und Zwillinge. Dann umarmten sie mich und küssten mich und fragten, würdest du gerne so wie wir Mädchen angezogen sein? — und mit uns tanzen? Ich war sehr verlegen, denn das ist ja nicht üblich für Jungen. Ich dachte das jedenfalls (so sind die Anschauungen eben), und daß ich irgendwie nicht gesund wäre im Kopf, ich hatte von 175ern (Endnote 42) gehört, das heißt, man ist schwul. Was das ist, wußte ich nicht, doch es war wohl etwas Schlechtes. Dennoch machte mir das Spaß, besonders die Strumpfhalter, die beim Tanzen unter dem Rock raussahen und mich im Spiegel anlachten. Es war ein weiter Rock, der fast ganz gerade abstand, wenn ich mich drehte.

Kann das denn was Schlechtes sein, wenn es Spaß macht und niemanden verletzt?

Das alles erzähle ich Ragi, dann fragt sie, darf ich dich einen Sissy nennen? — Was ist denn das? — So nennen sie in Amerika Jungen, die sich gerne als Mädchen sehen würden, die Mädchen-Kleider anziehen und so. Und ihren Spaß daran haben. Und ich finde das Wort süß, nur so, nicht zum Anreden.

Ich denke darüber nach und sage ihr einen Tag später, ja, du darfst mich wohl einen Sissy nennen, aber ist das was Schlechtes?Nein, denn ich mag es wenn ein Junge nicht so super-männlich tut sondern so ist wie er ist. Und wenn er ein Sissy ist, dann eben, dann ist er eben so wie er ist und sein mag, er ist ehrlich. Ich finde es nicht gut, wenn er es unehrlich versteckt hinter dieser gespielten Männlichkeit.
Ich mag es aber sehr, wenn er liebevoll ist, und wenn er mir nicht irgendwelche männerhaften Spiele vorspielt, die nicht aus seinem Wesen kommen. Diese Männerspiele der Erwachsenen sind so wie eben meine kleinen Brüder mit Spielzeugautos spielen, nur sind sie zum Teil recht grausam.

Das ist eigenartig: ich schäme mich etwas bei diesem Gespräch, aber mir ist auch sehr warm, wenn sie das mit dem Sissy sagt.

Ich frage sie, du sagst, wenn ein Junge so ist wie er ist. Das gilt doch für alle Leute, oder? Nun sieht sie etwas klug aus, vielleicht etwas lehrerinnenhaft, wie sie sagt,

ja, ich meine, zum Beispiel auf welcher Stufe du gerade bist in deinem Wachstum. Irgendwie sind doch zum Beispiel alle 12-jährigen Jungen ähnlich, auf keinen Fall so wie 16-jährige. Und wenn du 12 bist, sei eben 12 mit allem was dich als 12-jährigen ausmacht. Wenn einer aber mit 12 schon strebt und sich müht, einmal alles das zu können und zu sein, was einen 16-jährigen ausmacht, was er dann mal sein soll oder will, dann kann er ja gar nicht seine 12-Jahre-Zeit ausleben, und da fehlt ihm doch was. Das verstehe ich sehr gut, obwohl es ungewöhnlich ist, daß ich mich nicht mühen sollte, einmal erwachsen zu sein: nicht wahr, das meinst du doch? frage ich sie. Ragi bemüht sich weiter:

Die Erwachsenen wollen immer, daß du dich anstrengen sollst, jetzt bis du unfertig, meinen sie, aber dann ... Doch meine Mutti sagt, du wirst nie fertig, erst mit dem Tod mag das angehen, doch vorher? Mutti sagte mal, jeder Moment im Leben hat seine Besonderheiten, und das sollten wir leben und erfahren, nur dann können wir reifer werden, erwachsen werden. Die 12-jährigen werden im ganzen Leben nie wieder so sein wie sie mit 12 waren. Und vielleicht wird ihnen diese Zeit in Erinnerung bleiben, mit Spaß oder Trauer oder Schmerzen oder was, wie es gerade war, eine Erfahrung für´s Leben.

Ein paar Tage später kommen wir wieder auf die Gefühle, und ich kam drauf: wunderbar waren die Gefühle, als Anuragini mich massierte, ich konnte mich tief hineinfallen lassen und verschmolz sozusagen unter ihren Händen. Doch am nächsten Tag ging es mir sehr schlecht, ich hatte eine miese Laune. Die hielt ein paar Tage an, und ich wußte nicht, was das sollte, woher die kam. Anuragini hat eine Erklärung: das kenne ich, durch die Massage habe ich bei dir wohl Gefühle ans Licht gebracht, die du sonst verborgen hast, und nun ist es dir schwer, damit umzugehen. Diese Gefühle sind dir noch nicht bewußt geworden, aber sie machen sich bemerkbar im Vordergrund deiner Seele, sage ich mal. Wenn wir mehr miteinander arbeiten werden, kommen sie vielleicht mal ans Bewußtsein, und dann können Rührungen losbrechen und du fängst an zu schreien oder zu weinen, zu lachen, ganz viel zu essen oder mich zu umarmen, alles Dinge, die ich schon erlebt habe.

So sind die Tage im Blauen Haus, immer wieder voller Überraschungen und Neuigkeiten. Außerhalb dieses Hauses ist das Leben anders, und es fällt mir immer wieder schwer, in diese normale Welt hinauszugehen.



Kapitel XVI — Wieder mal in Deutschland ... doch nicht lange


Ja, „wieder mal in Deutschland“, denn im Blauen Haus ist ja nur die Hälfte Deutschland, die andere Hälfte ist das Blaue Haus, oder ist es tatsächlich Indien? Wir gehen zum Stadtpark, und ich genieße es nun, einen Rock zu tragen, alle Ängste und Besorgnisse sind abgefallen. Ragi gibt mir einen weiten grauen Faltenrock — na ja, er ist mir zu grau, aber ich kann nun nicht wählerisch sein. Besonders schön ist es, wenn der Wind unter meinen Rock weht und meine nackten Schenkel streichelt — so wie Ragi es gesagt hatte, auch dieses verstehe ich nun. Es ist gut, daß Jungen und Mädchen einander auch in ihren Bedürfnissen verstehen — und anerkennen, sagt sie.

Gut, aber der Genuß ist mir wichtiger. Ich überlege mir, ob ich das alles anziehe, weil ich auch mal wie ein Mädchen gehen will, oder nur weil diese Kleidung angenehm ist. Beides stimmt wohl: ich merke, so bin ich den Mädchen näher, verstehe sie — das war damals schon als die Zwillinge von Louise reinkamen. Mit ihnen konnte ich Mädchen spielen, schon damals hat es mich auch erregt. Es war erregend, darauf zu achten, daß der Rock unten blieb und niemand darunter sehen konnte — warum weiß ich nicht, aber so ist das eben —, beim Spielen mußte ich wohl lernen aufzupassen. Ich musste lernen, machmal den Rock festzuhalten, er war so locker und flatterig. Die Ragi hat auch ähnliche Erfahrungen, ich fühle mich auch gerne mal als Junge, spüre nach wie das wohl sein mag in Jungen-Kleidung. Doch das ist ja viel normaler als umgekehrt.

Alle Ängste und Besorgnisse sind abgefallen, hatte ich vorhin geschrieben. Nein, das stimmt nicht ganz: Fast alle Ängste und Besorgnisse waren abgefallen, aber alle? Anuragini meint zwar, du bist viel freier und ruhiger als vor einem Jahr, als wir uns das erste Mal sahen, ... seit du auch Röcke trägst. Es ist Herbst, und mir ist das zu kühl, so ohne Hosen — oder ohne Strümpfe? Wie würde es sich anfühlen, dicke Strümpfe über die Beine zu ziehen, damit sie sich warm fühlen unter dem Rock? Na, das sind alles so Gedanken, die im Kopf umherschwimmen — und ist das überhaupt recht, geht das? Es lockt mich, auf diese nichtsnutzen Regeln zu pfeifen und mich so zu kleiden, wie ich Lust habe.

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Meine Familie wohnt in einem Mietshaus, einige Stockwerke hoch, und außen ist das Haus mit Stuck verziehrt, Girlanden und Zweige und Blätter und Blüten sind da abgebildet, auch kleine Engel und Vögel. Und weil das mal eine Art Schule war, sind da auch Schulkinder dran: Mädchen und Jungen in altmodischen langen Röcken und knielangen Hosen, und an den Beinen sieht man lange gestrickte Wollstrümpfe und um die Hälse flatternde Tücher. Alles ist ziemlich grau und verstaubt, wahrscheinlich hat der Krieg schuld: es war bisher weder Geld noch Zeit, das Haus wieder schön zu machen. Ich würde es gerne mal bunt streichen, besonders die Figuren.

Schon einige Male hat meine Familie Ragi getroffen, besonders früher, und nun waren wir beide zusammen hier ... Doch heute ist es anders, da ich diesen Mädchenrock anhabe (und keine langen Strümpfe, trotz der Kälte, aber ich traue mich nicht). Mein Vater ist entsetzt — willst du nun zum Mädchen werden? ist seine sehr spöttische Bemerkung, etwas verärgert. Wie kommt es, daß ich seine Bemerkung so schrecklich finde? Alle wissen doch, daß ich kein Mädchen bin, und ich könnte doch nicht als Freund mit einem Mädchen gehen, wenn ich selbst eines werden wollte. Was meint er bloß?

Eine Art schlechtes Gewissen steigt hoch, und ich werde sehr mißmutig, fast wird mir schlecht und ich habe keine Lust mehr, hier zu bleiben. Schließlich sage ich zu Ragi, komm wir gehen wieder. Doch sie lacht mich fröhlich an, ich verstehe schon, wie es dir geht, das sind aber deine Leute und du mußt das aushalten — oder besser: ich weiß eine schöne Methode: stell dir vor, in deiner Brust brennt eine wunderbare Kerze, sie brennt kühl und verbrennt dich nicht, ihr warmes Licht strahlt aus auf dich und die anderen hier.

Es stimmt: wir werden alle ruhiger und freundlicher. Und bald sitzen wir friedlich beim Abendbrot, auch mein Vater lässt seine spöttischen Bemerkungen sein. Schließlich fragt meine Mutter, willst du nun immer Röcke trage? Darf ich dir helfen, wenn du einen kaufen willst? Ich kenne mich da besser aus, denke ich, ich kenne auch eine gute Schneiderin, die welche für dich machen wird. Mein Vater schüttelt verzweifelt den Kopf, und ich wehre ab, ich will nicht meine Stellung als Sohn, als Mann gefährden. Vielleicht später mal, ja? Und im Geheimen denke ich, ach wäre ich doch Kind einer schottischen Familie ... Doch dann ist die Sache mit dem Rock eine vorübergehende Sache. Das indische Tantra im Blauen Haus ist wichtiger für mich. Ich habe zuhause immer noch sehr wenig davon erzählt und möchte auch nicht, daß irgend jemand hier weiß, wie es mir da ergeht, was ich da erlebe, will nicht, daß irgend jemand mitgeht. Daß ich mal einen Rock trage, ist für die schon anstrengend genug.

Weißt du, sagt mein Vater zum Schluß, diese Regeln der Gesellschaft, diese Kleidungsregeln haben ihr Gutes, sie sind sehr wichtig, damit wir uns nicht im Niemandsland verlieren, damit wir immer wissen, wo wir zuhause sind. Das verstehe ich nun fast nicht. Für mich ist das eine Sache der eigenen Freiheit, Freiheit ist doch ein großes Wort, was sonst? Er sagt noch, Frauen und Mädchen müssen Röcke tragen, damit klar ist, daß sie nicht Jungen oder Männer sind. Da explodiert Ragi: morgen werde ich mir eine Hose anziehen, damit klar ist, daß ich ein Junge bin, oder? Komm, sagt sie noch, jetzt gehen wir, jetzt gehen wir zu uns. Jetzt ist sie wütend. Und das macht sie schön. Mein Vater will mich noch zurückhalten, doch ich gehe einfach ohne Gruß weg. Das war´s erstmal, von da an beginne ich ganz im Blauen Haus zu wohnen.

Ach, noch was habe ich zu berichten: mein Großvater war dabei, der Vater meines Vaters, er ist nun fast 70 etwa. Immer trägt er bunte Hemden und Halstücher und anderes, wo es möglich ist, die er sich selbst färbt oder mit bunten Mustern bedruckt, Kartoffeldruck nennt er das. Blumen, Vögel, Schmetterlinge und so. Großvater macht noch eine Bemerkung, die ich sehr schön finde: Jedenfalls für mich stimmt das schon lange nicht mehr, daß ich zeigen muß, daß ich ein Mann bin, oder? Bin ich nicht einer? Mein Aussehen und mein Verhalten und meine Stimme, hm ...? Ich habe zu oft meine Männlichkeit übertreiben müssen — was immer Männlichkeit so bedeutet: am schlimmsten in den Kriegen als Soldat und als Luftschutzhelfer und all das. Sogar Frauen mußten da ihren Mann stehen, wie man sagte. Das war für alle schrecklich, nicht nur für die Frauen. Wißt ihr, diese Schlachten in Frankreich, an der Somme und so ), da lernst du, weit hinaus über das, was ein Mann sein soll, hinauszuwachsen. Da wird dir das alles egal, bleibt flaches Geschwätz, minderwertig. Da willst du nur noch leben, siehst all diese gequälten und toten Menschen rund herum ... Da sind dir solche Ideen, wie ein Mann oder wie eine Frau auszusehen, so egal, so kleinlich ... Und so habe ich begonnen, mich so zu kleiden und so zu verhalten, wie das für mich selbst am besten und am schönsten ist. Bin ich da verrückt? Ich glaube nicht, nur bin ich nicht so, wie die meisten Leute das wollen. Und er sah lächelnd seinen Sohn an.

Der aber grummelte ... doch dann gingen wir tatsächlich weg, wenn ich auch gerne noch mehr von meinem Opa gehört hätte.

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Ja, ein andermal erzählt er mir von seiner Lebenseinstellung. Weißt du, eigentlich habe ich alle Gefühle in meiner Seele. Das Mann-Gefühl sowieso; dann pflege ich auch meine Innere Frau und würde mal einem geliebten Mann so begegnen; bin ein wenig homosexuell und würde mal mit einem Liebsten zusammen knutschen; bin sogar ein wenig lesbisch und liebe Frauen von dieser Seite, will mal von einer Frau als Frau geliebt werden, nicht nur als Mann; liebe Knaben oder Mädchen, einfach weil sie so schön und so lebendig und geistreich sind und sehe sie voller Freude an und bin gerne mit ihnen zusammen; denke daran wie schön es wäre, meinen eigenen schönen Körper zu zeigen oder auch nur im Wind kühlen zu lassen; würde gerne mal in Frauenkleidern rumlaufen oder im Schottenrock oder im tropischen Lendentuch wie ein Indianer im Amazonaswald, ja sogar mal wie ein Krieger mit Waffen oder so (doch das ist eher seltener nachdem ich´s ja schon erleben musste, erzwungenermaßen) — und noch manches mehr.

Fast möchte ich sagen, ich bin alles.

So weit mein Opa, der wirklich etwas Besonderes ist.



Kapitel XVII - Nach zwei Jahren

So waren meine Monate im Blauen Haus mit der starken Ragi und ihrer Mutter. Noch vieles müßte ich berichten, doch nun will ich den Bericht ausklingen lassen und nur noch erzählen, wie wir uns nach sehr langer Zeit wiedertrafen. Während meiner letzten zwei Schuljahre mußte unsere Familie in eine weit entfernte große Stadt ziehen, weil mein Vater dort eine gute Arbeit fand und so mehr Geld zu uns kam. Die ganze Familie zog mit, ich musste auch, und es ware eine große Trauer mit Ragi und mir. Damit waren unsere gemeinsamen Jahre zuende und wir sahen uns zuerst noch selten, dann sehr lange gar nicht mehr.

Doch einmal noch — zwei Jahre nach den Zeiten im Blauen Haus — haben wir vierzehn schöne, gemeinsame Tage und Nächte in einem Dorf im Hessischen, erst danach trennt uns mein Weggang vollständig, auf Jahrzehnte.

Von diesen zwei Wochen will ich nun noch berichten: Wir schrieben uns ja sehr häufig, glühende und manchmal schwierige Briefe. Einmal kam ein Brief von Ragi, in dem sie mich in dieses Dorf einlud und sagte, sie würde soviel Geld mitbringen, daß wir in einem Landgasthaus leben könnten. Zwei Wochen möchte ich mal wieder mit dir leben, nun sind wir schon so viel älter, und da ...

Das Dorf heißt Kahlenbach und hat nicht einmal eine Kirche. Es liegt ziemlich in einem dunklen Wald, die Leute leben meistens vom Holz, nur nach der Südseite hin haben sie einen weiten Ausblick, auch auf weite Wiesen und Felder, und in der Ferne kann man den Vogelsberg sehen. Das Gasthaus hat ein paar Zimmer, und unten ist die Restauration, wo abends oft Männer sitzen und singen, ein Gesangsverein vermutlich.

Ragi schreibt, ich werde noch zwei Freundinnen mitbringen. Sie studieren in Zürich Fotografie und möchten gerne mal ihre Ferienzeit nutzen, auf dem Lande Fotos für einen Wettbewerb zu machen, vielleicht mal für ein Buch, in dem sie zeigen wollen, wie es heute draußen so aussieht — es wird sich ja alles verändern mit den Jahren und die Leute werden die alte Zeit schnell vergessen haben. Und die ist doch so schön, oder? Und in zwanzig Jahren vielleicht, dann wird ihr Buch Erstaunen auslösen, denken sie. Ich glaube, das mag so stimmen. Sie werden in einem eigenen Zimmer wohnen und uns nicht stören, aber schön wird es doch werden. Die Wirtin kennt meinen Vater, er war vor vielen Jahren manchmal da und hat den Wein genossen und lange Abende am Wirtshaustisch gesessen und den Gästen Geschichten aus dem Tantra erzählt, die sie wohl sehr erstaunt haben könnten — sie müssen ihn für einen totalen Spinner gehalten haben — wie jenes indologische Forschunginstitut ja auch.

Ich kann erst einen Tag später hinreisen, mit dem Zug, es ist eine lange Fahrt, meistens in Bummelzügen, und mit vielem Umsteigen. Es ist ein besonderes Erlebnis, wie sich das Züglein mit der schnaubenden Dampflok vorne weg durch die waldigen Täler des hessischen Landes schlängelt. Nachher muß ich mich ziemlich waschen, denn die Lok pustete so viel schwarzen Rauch und Ruß aus, der sich überall in die Waggons drängte und stank.

Von der Haltestelle gehe ich noch eine halbe Stunde, und noch vor dem Dorf kommen mir drei elegante junge Damen entgegen, ah, da ist ja Ragi dabei. Wie so eine Frau sich in zwei Jahren doch verändern kann. Ich sehe eine elegante Dame, nichts mehr von dem Burschikosen im Blauen Haus. Und die beiden anderen sind die Fotografinnen aus Zürich.

Sehr verlegen bin ich, denn sie sind alle so erwachsen, und ich mit meinen fast 20 Jahren fühle mich noch wie ein großer Junge, nicht mehr. Ihre weiten Kleider wippen und ich sehe: sogar Ragi hat sich zu den Nylons bekehren lassen: sie trägt nun dunkle Nylons, die ihre Beine durchaus schmücken, und ein wenig hochhackige Schuhe — also nein ... und das hier im Wald auf den sandigen Wegen.

Obwohl viel Altes und Gewohntes an ihr ist, ist da auch ganz Neues und Weibliches, wie ich es noch nie gesehen habe. Sofort falle ich in eine begehrende Liebe zu ihr und möchte sie nie mehr loslassen — ich ärgere mich etwas, daß die beiden anderen Mädchen dabei sind.

Doch die „schöne und starke und süße“ Ragi, wie ich sie bei mir immer nenne, lässt meine Scheu und meinen Ärger schnell verfliegen. Sie stürzt auf mich zu und umarmt und küsst mich, und erst nach ein paar Minuten stellt sie mich den beiden anderen Damen vor, Fiora die mit den langen dunklen Haaren (fallen die ihr nicht immer vor die Kamera? denke ich) und La Bionda mit den dunkel-bunt-braunen Locken (obwohl ihr italienischer Name eigentlich die Blonde bedeuten soll, da haben meine Eltern wohl Wünsche gehabt, die ich ihnen nicht erfüllen konnte, lacht sie zu ihrer Haarfarbe und dem Namen). Zwar haben beide eine schöne dunkle Haut, aber nicht so dunkel wie die von Ragi, doch dunkler als meine nordische Käsehaut, wirklich etwas italienisch sehen sie aus, so wie ich mir das Italienische vorstelle. Na, sie stammen aus der italienischen Schweiz, aus dem Bergeller Tal, oder wie sie sagen, aus der Bregaglia, aus dem Dörfchen Bondo und aus Castasegna, sie müssen mir diese Namen aufschreiben, denn ihre italienische Sprechart kann ich nicht umsetzen in Buchstaben.

Ja, elegante Damen sind das, wie sie hier in dieses Berglerdorf gekommen sind. Das werden gewiß ein paar spannende Tage sein, stelle ich mir vor, etwas verwirrt. So viele Frauen in meiner Nähe sind mir schon unheimlich. Und nachher erkenne ich, es ist mir unheimlich geblieben, die ganzen vierzehn Tage, ein wenig dunkel, eine weiche und angenehme Dunkelheit, aber doch unheimlich, ungewohnt.

Die beiden aus dem Bergell haben einen Beutel mit Knoblauch mitgebracht und weisen die Wirtin an, davon immer etwas zu unserem Essen zu tun. Seit diesen Tagen bin ich von Knoblauch begeistert, immer wenn ich welchen sehe oder rieche ... — dann kommen diese Erinnerungen hoch, und meine Laune mag noch so schlecht sein, in diesem Moment springt sie wie ein Springbrunnen in die himmlischsten Höhen, mit einem erregenden erotischen Bei-Duft mit etwas dunklem weiblichen Rauch dazu — doch das wird mir erst in späteren Jahren bewußt.

Und sie haben eine Kiste mit Veltliner Weiß-Wein mitgebracht, die sie der Wirtin übergeben, wovon wie je und je ein Fläschchen trinken werden. Doch auch Bier aus Schlitz werden wir gelegentlich nehmen, zusammen mit rechtem hessischen Mittagessen — mit Knoblauch aus dem Bergell.

Und das Zimmer: Da sind drei Betten mit hohen und gedrechselten Kopf- und Fußenden und dicken Daunenplüschdecken drauf. Das Fenster zeigt zum Wald, wo noch eine kleine Wiese davor liegt, auf der wir allerlei Tiere beobachten, meistens Rehe, aber machmal Hirsche, Dachse, Füchse und so weiter, natürlich am Tage auch das Hausvieh, Ziegen und Kühe.

Und im Zimmer hängt ein Bild, gedruckt denke ich, im verschnörkelten, goldenen Rahmen, auf dem Bild ist eine Wassermühle im Waldtal zu sehen, im Hintergrund meine ich, und vorne auf der Wiese steht ein Hirsch und röhrt (brüllt) heftig, und der Hauch steigt aus seinem Mund auf. Die Wirtin aber meint, das habe ein Gast gemalt, und die Mühle könnten wir selbst sehen, wenn wir über den Berg ins nächste Tal gingen.

Auf dem Dachboden, wo auch unsere Zimmer liegen, steht allerlei Gerümpel, auch noch ein Bett in einer Ecke, in dem nachts ein Knecht schläft. Da ist noch eine Kammer und darin stehen allerlei alte Truhen, mit Bettzeug drin und altmodischen Kleidungsstücken. Ich war so frei und habe mal reingesehen. Viel Frauen- und Mädchensachen mit einem Haufen Spitzen dran: schön, aber aus der Zeit, denke ich. Das meiste ist weiß, aber ich finde einen rosa Hüfthalter mit eingestickten roten Röschen und rosa Strumpfhaltern unten dran, er könnte Ragi passen und ich gebe ihn ihr, da zieh mal an, wäre doch auch mal was. Sie ist ganz begeistert und fragt am nächsten Tag die Wirtin, ob sie ihn haben darf, was genehmigt wird. Von diesem Tag an hat die Ragi nur noch diesen uralt-modischen Hüfthalter an ... und ab und zu hebt sie ihr Kleid und lässt uns einen kurzen Blick ... und jedesmal fängt mein ganzer Körper an zu beben ... ist das nun schon wieder Tantra? frage ich, und die beiden Bergellerinnen wissen nicht recht, warum wir so lachen.

In einer Ecke stapeln sich Bücher, die ich mir ansehe — doch abgesehen von ein paar Liebesromanen von Hedwig Courths-Mahler aus der Zeit vor 50 oder 100 Jahren ist da nichts Interessantes.

Nun wieder zu unseren Damen: Die beiden aus der Schweiz tragen immer eine ihrer teuren und schönen Kameras am Hals, auch einen Belichtungsmesser und ein Täschchen für Ersatzfilme und Notizbüchlein — und Ersatzstrümpfe, wie ich später merken werde.

Ragis Begehrlichkeit ist ebenso stark wie meine. Am Abend halten wir es kaum noch aus. Und nachdem wir eine halbe Stunde zusammen auf den nebligen Wiesen gegangen sind, packt sie mich plötzlich — noch auf einer der nassen Wiesen, und die beiden Bergellerinnen stehen bewundernd daneben — und wirft mich ins Gras, sich daneben und zwingt mich, sie zu küssen und zu umarmen — natürlich umarmt sie mich auch — und zwingt mich, meine Hand unter ihr Kleid zu schieben und ihre Schenkel zu berühren, die oberhalb der Strümpfe — natürlich — nackt und ganz stark empfindsam sind, ganz weich und empfänglich für das Streichen meiner Hand.

Trotz der Hitze, die uns schnell überflutet, stehen wir bald wieder auf und merken, daß unsere Kleidung jetzt taunaß geworden ist und etwas ungemütlich, etwas nur, denn unsere Hitze wird dadurch nicht gemindert. Zitternd stehen wir da, und Hand in Hand rennen wir zum Gasthaus, und die beiden Fotografinnen mit, und Ragi sagt im Rennen, was immer wir beide tun, sie möchten dabei sein und eine besondere Liebesreportage mit ihren Kameras draus machen, dürfen sie wohl?

Ich bleibe stehen, und erstmal kommt bei mir eine Scheu hoch, die hat sich früher mal gebildet unter der Idee, das alles ist doch ganz privat, es muß immer privat und intim bleiben ... und ich will erst nein sagen und druckse ein wenig ... Doch schnell bin ich so begeistert von dem Ganzen, daß ich ja sage, und ja, und ja. Kann es etwas Schöneres geben, als von unseren Begegnungen Bilder zu haben, besser als die damals im Blauen Haus, weißt du noch, aber gewiß weißt du noch, oh, Ragi! Oder, wenn zwei so liebliche Mädchen dabei sind?

Schnell rennen wir alle in unsere Zimmer, die beiden haben Schwierigkeiten, schnell alles mit ihren Kameras und Stativen und Blitzen herzurichten, und das Zimmer ist doch so klein ... doch dann: Die Ragi wirft sich auf den Boden, und Fiora hilft ihr noch, das Kleid etwas nach oben zu ziehen, damit — wie sie sagt — der Unterrock auch fein zu sehen ist, und die Strümpfe und das alles, für die Kamera, weißt du. Und ich knie — noch schüchtern — daneben, voll in meine schwarze Hose gekleidet, obwohl bei der Ragi das Kleid schon so hoch gerollt ist — wie ihr auf dem Bild sehen könnt — und ich unter ihrem altmodischen Hüftgürtel nur noch die nackte Ragi sehe, verlockend, ohne Scheu und Scham, wie sie schon immer war. Ein Foto hat La Bionda gemacht und ich habe es abgezeichnet, damit es zum Stil dieses Berichtes passt, besser als so ein nüchternes Foto.


Bild 35 : unsere Liebe in Kahlenbach — sind wir nun erwachsen?

Junge, sagt La Bionda, sieh mal, was sie alles anhat unter ihrem schönen Kleid, eigentlich fast nichts, sieh doch mal in ihren neuen Hüftgürtel, ist da was? Nur — nur sage ich, doch das gehört sich eigentlich nicht — nur ihr Schönstes, ihre ganze Fraulichkeit — und du bist so ein Knabe und erkennst gar nicht, was da ist. Ragi sagt noch,

Oh, Bionda, du bist sooo eine Frau, weißt, wie du mit den jungen Männern umzugehen hast! Weißt, was sie brauchen. Doch nun mache deine Fotos, und recht hübsch, ja?

... und dann ziehen Fiora und Ragi meine schwarze Trainingshose ruckartig runter — ich dachte, hier im Bergland muß ich mit Wanderzeug bekleidet sein —, und dabei fällt der Fioras langes Haar auf meine Schenkel und streichelt sie ganz lieblich und weich, eben weiblich und heftig irgendwie, nur für einen ganz kurzen Moment, und ich bekomme einen Anfall von Wahnsinn. Reiße Ragis Kleid ganz hoch und suche den Weg für mein steifes und begehrliches Glied unter ihren Hüftgütel und in ihren Schoß, in ihre Yoni, und ihr Unterleib beugt sich mir stöhnend entgegen und nimmt meinen Lingam in ihre warme und feuchte und liebevolle Höhle ... und erst dann kommen wir etwas — etwas sage ich — zur Ruhe, und die beiden können ein wenig herumblitzen.

Zur Ruhe — ja, dahin hatte ich mich so lange gesehnt: diese warme Ruhe im Leibe meiner geliebten Freundin — eine andere Frau habe ich seit den Tagen im Blauen Haus nicht mehr berührt, wäre so nebensächlich gewesen. Hier bin ich zuhause, hier werde ich empfangen und geliebt und gelitten von der geliebten Freundin.

Doch nach wenigen Minuten der Stille miteinander, ineinander, will sie mehr, und die anderen wollen mehr erleben ... unsere Leiber küssen sich an allen Stellen, wo sie nackt sind, werden immer heftiger und schneller ...

Und so leben wir die ganzen zwei Wochen zusammen, und Fiora und La Bionda begehren meine Liebe auch, und zusammen mit ihnen ist es schön, weil wir alle vier uns lieben, und weil Ragi dabei ist und mit Inbrunst Ja sagt. Oft liegen wir alle vier zusammen in einem der Zimmer und leben etwas, was wir später „Gruppensex“ nennen werden, doch jetzt und hier in Kahlenbach ist es einfach so, ohne Theorie und Fachwörter.



Kapitel XVIII — Ausklang


Als ich um die 40 war, beginne ich tatsächlich wieder täglich lange Strümpfe zu tragen, es macht mir mehr und mehr Spaß, je älter ich werde, auch Röcke, lange Röcke, so bunt wie ich es ertragen kann, und das ist sehr bunt — und alles in freudiger Erinnerung an jene jungen Jahre.

Da entdecke ich nun, wie sehr mein Körper diese "Körperlust" hat, und er liebt diese leichte Kleidung der weiten Röcke, dazu noch bunt wie sie die Schotten tragen, heißt es ja. Doch meine sind länger, und als "Unterwäsche" trage ich nur einen knielangen weißen Rock aus Baumwolle oder Nessel, mit einer Spitzenbordüre unten dran, die ich je und je hervorblitzen lasse - alles diese Lust an mir selbst. Ach ja, und einen Strumpfhaltergürtel, wie er sich eben auf dem letzten Bild bei Ragi ganz wenig zeigt.

Habe mir dann ein Fotoalbum angelegt, in dem ich viele Bilder sammele, auf denen ein Mensch solche Strümpfe trägt, und ich fand beim Sammeln, daß das heute zwar eine selten gewordene Sitte ist, doch es gab immer wieder Zeiten, in denen sie vorgezogen wurden, in manchen Zeiten eher von Männern und Jungen als von Frauen, im Mittelalter nämlich. Vor ein paar Jahren begann ich also, einen langen Rock zu tragen, wie die Inder, nur noch viel bunter. Nur mit den Leggins (wie sie die Indianer trugen) habe ich es nicht geschafft, es fiele hier zu sehr auf. Doch vielleicht komme ich auch noch mal dazu. Manche geheime Bilder habe ich da in meiner Seele.

Da entdecke ich auch, wie sehr mein Körper diese "Körperlust" hat, und er liebt diese leichte Kleidung der weiten Röcke, dazu noch bunt wie sie die Schotten tragen, heißt es ja. Doch meine sind länger, und als "Unterwäsche" trage ich nur einen knielangen weißen Rock aus Baumwolle oder Nessel, mit einer Spitzenbordüre unten dran, die ich je und je hervorblitzen lasse - alles diese Lust an mir selbst. Und einen Strumpfhaltergürtel, wie er sich eben auf dem letzten Bild bei Ragi zeigt.

Jetzt vor zwei Jahren — wir waren nun 58 — erzählte mir jemand über Ragi, ein wenig über ihr Leben und gab mir ihre Adresse. Das Übliche: Ausbildung, Beruf, Familie, Kinder, diese erwachsen, Ehe wieder vorüber. Dann etwas anderes: Ragi hieß nun Gita, das göttliche Lied, den Namen hatte ihr ihr heiliger Meister in Indien gegeben. Ich hatte fast den gleichen Weg hinter mir, und nun wollte ich wissen ...

Gita lebt in einem kleinen Bauernhaus mit ein paar weiteren Leuten auf dem Land, weit weg von einer Stadt. Natürlich erkennen wir uns zuerst nur langsam wieder. Aber die gemeinsamen Erlebnisse ...! Und danach: fast hätten wir uns ein paar Mal getroffen — in der fernen großen Gemeinschaft ihres Meisters, der auch meiner ist. Und mich hatte er auf meine Bitte Prakash genannt.

Ich blieb ein paar Wochen in dieser kleinen Gruppe, als Gast. Gita und ich waren uns wieder sehr nahe, sehr freundschaftlich, und wir waren viel zusammen in diesen Wochen, auch körperlich vertraut. Diese wenigen Monate vor 40 Jahren haben uns anscheinend an-einander geprägt, vielleicht liefen unsere Wege sehr oft parallel. Doch das war nicht wichtig. Nun tragen wir alle lange orange Kleider, wie alle Menschen in dieser Gemeinschaft, solange sie hier auf diesem Grundstück sind.

Nach einigen Tagen treffen wir uns alle zu einem Abend mit einem feierlichen Ritual. Wir sitzen in einem großen Kreis. Erst gemeinsames Schweigen, eine Stunde Stille zu der Musik "Open like a flute" von unserem Freund Ariel. Danach eine alte indische Zeremonie: Alle sitzen im Kreis auf dem Boden, auf Kissen. Nach einigen kleineren Ritualen setzen sich die Frauen auf den Schoß der Männer, die mit übergeschlagenen Beinen auf einem Kissen sitzen — so wie Gita´s Vater Prakash es aus Khajuraho berichtet hat: Upavishta.

Wir atmen erst langsam und leise, dann stärker. Wir stellen uns dabei vor, von verschiedenen Stellen des eigenen Körpers in die entsprechende Stelle bei der oder dem anderen zu atmen — direkt und ohne Umweg über Mund oder Nase, nur die Vorstellung. Eine stille und dann stärker werdende Musik begleitet und unterstützt uns.

Gita und ich begegnen uns wieder mal in dieser Upavishta-Form, wie wird es nach so vielen Jahrzehnten? Natürlich ist es erst ganz anders, doch die Erinnerung an den Stadtpark und an das blaue Häuschen lenkt unsere Stimmung und unsere Stille. Wie sie auf meinem Schoß sitzt, hebt sie ihr Kleid und — Tränen kommen mir vor Rührung — sie trägt wieder die roten Strumpfhalter und ein gehäkeltes Mieder, dazu lange weiße Strümpfe — die Erinnerung ist so stark, daß ich nichts mehr zu tun weiß: vor Staunen und in ehrfürchtiger Scheu sitze ich still, die Tränen fließen mir über das Gesicht und machen den Bart naß. Wir streicheln einander lange und spüren unsere unendliche Nähe, verschmelzen, schwimmend in unseren Tränenströmen.

So viel hatten wir in den 40 Jahren erlebt, einige Partner getroffen und wieder verlassen, unsere Kinder sind heute viel älter als wir damals waren. Nun kehren wir zurück an den Beginn der Zartheit, den Beginn der ursprünglichen Liebe.



Die Endnoten (hier findet sich, was anderenorts die Fußnoten sind)

1. SUKIE COLEGRAVE, 1984: „Yin und Yang — die Kräfte des Weiblichen und des Männlichen. Eine inspirierende Synthese von westlicher Psychologie und östlicher Weisheit“, Fischer Taschenbuch Frankfurt/Main, 1o8o-ISBN-3-596-23335-6.
2. Dazu gibt es heute Bücher (die ich noch nicht gelesen habe): zum Beispiel: CARROLL, LEE & JAN TOBLER [Jahr]: „Die Indigo Kinder“, ISBN 3-929512-61-0. CARROLL, LEE & JAN TOBLER, [Jahr]: „Indigo-Kinder erzählen“; CAROLINA HEHENKAMP, [Jahr]: „Das Indigo-Phänomen“.
3. OSHO: „Goldene Augenblicke, die rebellische Kindheit eines großen Erleuchteten“, ISBN 3-925205-70-5, Osho Verlag Köln.
4. gefunden im Porträt von JEAN CHALON, „Alexandra David-Néel, das Porträt einer Unbezähmbaren“, Drömer-Knaur 1998, ISBN 3-426-77399-6.
5. Im Anhang schreibe ich eine Liste von Internet-Sites auf, in denen diese Tradition und neuen Ideen besonders gepflegt werden.
6. Osho Rajneesh, indischer spiritueller Meister (1931-1990), den ich liebe (früher als Bhagwan Sree Rajneesh bekannt).
7. Somāskanda-Figur aus „South Indian Bronces“ von C. SHIVARAMAMURTI, 1963, Lalit Kala Akademy, New Delhi, fig. 36a, zeigt Shiva und Parvati (Shakti), doch nicht Parvati auf Shiva´s Schoß sitzend sondern neben ihm.
8. Madras heißt heute Chennai, Hauptstadt von Tamil Nadu in Südindien.
9. das ist die Stadt Thiruvannamalai, oberhalb von deren großem Tempel der Berg Arunāchala liegt.
10. Unter Hindostani fassten sie damals die sehr ähnlichen Sprachen Hindi und Urdu zusammen.
11. Britiische Internierungslager in Indien werden von WALTHER EIDLITZ beschrieben: 1951, „Bhakta“, Claassen Verlag Hamburg; und von HEINRICH HARRER: 1996, „Sieben Jahre in Tibet“, Ullstein Verlag Frankfurt/M., ISBN 3-548-23095-4. Im Film „Sieben Jahre Tibet“ wird ein Eindruck eines dieser Lager versucht.
12. kann man sehen in seinem Buch „Die Religionen Indiens“, 1943, Alfred Kröner Verlag Stuttgart: S. 182-183 und auf anderen Seiten.
13. Calcutta heißt heute Kolkata und ist die Hauptstadt des indischen Bundesstaates Bengalen (Westbengalen).
14. in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg waren schottische Soldaten in einigen niedersächsischen Kasernen stationiert, die als Uniform einen Kilt (Schottenrock) trugen.
15. FRITZ STEUBEN: „Der fliegende Pfeil“, Franckh´sche Verlagshandlung Stuttgart, 1930, mit Zeichnungen und Tafeln, nicht alle späteren Ausgaben haben auch die Bilder dieser ersten Auflage. Das genannte Bild ist auf dem Deckel.
16. in einem neueren Buch findet sich vieles: ASHLEY THIRLEBY, 1982 und später: „Das Tantra der Liebe, eine Einführung in die altindische Liebeskunst“, Ullstein Verlag, ISBN 3-548-20221-7.
17. Dank an Lakshmanjoo, der in Kashmir diese und andere Verse aus dem „Vigyan Bhairav Tantra“ (auch „Vijñānabhairava Tantra“ geschrieben, ein altes Buch mit Tantra-Versen) an PAUL REPS überliefert hat (1991, „Ohne Worte — Ohne Schweigen“, O.W. Barth Verlag, ISBN 3-5o2-645o2-7). Über Lakshmanjoo und die Shiva-Religiosität in Kashmir siehe auch www.kashmirshaivism.org .
18. indischer Name, der „die Liebende“ bedeutet (Osho: „The Sound of One Hand Clapping“, List of Names, March 16th).
19. dieses Bild ist zusammen mit vielen anderen aus Schottland in einem Buch veröffentlicht worden von R.R. McIAN, 1845 und 1847, „The Clans“, verlegt bei Ackermann & Co in London, im Internet zu sehen unter www.gaidheal.wz.cz/clans.html . Etwas Text dazu unter http://www.theclann.co.uk/book/highland_dress.htm .
20. wie ich dies im Jahre 2001 schreibe ist die Zeit, da indische Frauen mehr aus sich heraus gehen.
21. Asafoetida wird aus der Wurzel des Krautes Ferula assa-foetida (aus warmen Ländern) gewonnen; Tamarinde aus den Früchten des Baumes Tamarindus indica, überall in den Tropen, benutzt.
22. Früher bezeichnte man damit die beiden ähnlichen Sprachen Hindi und Urdu, die in weiten Bereichen Nordindiens gesprochen werden.
23. einen Gott, wenn er für eine Zeit Mensch wird, nennt man Avatár.
24. Upavischta/Upavishta wird erläutert im Buch von ANDRÉ VAN LYSEBETH, 1990: „Tantra für Menschen von heute“, Mosaik Verlag München, ISBN 3-570-03549-2, Seite 341 und danach, und an vielen anderen Orten.
25. ... das, was wir im Westen bereits als das Höchste, den Orgasmus empfinden.
26. wie ERNEST CALLENBACH es in seinem Buch beschreibt: 1978, „Ökotopia, Notizen und Reportagen von William Weston aus dem Jahre 1999“ — (Original 1975, „Ecotopia“), Rotbuch Verlag Berlin, ISBN 3 88022 200 2: Seite 189.
27. Neuerdings die Bücher von JOLAN CHANG, zum Beispiel „das Tao der Liebe“ im Rowohlt Verlag.
28. OSHO, „The Book of the Secrets V“: Kapitel „Sensitivity is awareness“ (Seite 206 ff)
29. In den 8oer Jahren ist das ganz anders: auch die Inder hören nun Schlager und Hits, doch ist das eine Musik, die dem Liebhaber alter indischer Musik schrecklich ist.
30. Rosewood heißt im deutschen Handel Ostindisch Palisander und ist später durch Raubbau sehr selten geworden. Es ist rötlich-dunkel rötlich mit starker, schwarzer Maserung, termitensicher und ein gutes Holz für Kunstarbeiten.
31. so etwas sagen die Yogis in Indien, berichtet mir mein Freund Sangeet Gill, ein deutscher Yogi.
32. Bewußtheit: achtsame Aufmerksamkeit, helle Stille. Bewußtsein: bewußte Kenntnis eines Sachverhaltes.
33. Khajuraho liegt im Bundesstaat Madhya Pradesh ziemlich in der Mitte von Indien.
34. „The Oxford History of India“, by the late VINCENT A. SMITH, Oxford, at the Clarendon Press, first published in 1919 and 1923, im dritten Buch innerhalb des 1. Teils.
35. später Geomantie genannt.
36. Chandéla zeigte mir das in dem Buch von RÁMACHANDRA KAULÁCHÁRA, „Silpa Prakásha“ (das 1966 ins Englische übersetzt wurde und kommentiert ist von ALICE BONER & SADÁSHIVA RATH SHARMÁ, E.J.Brill-Verlag in Leiden, heute vorhanden in der Universitätsbibliothek Bremen: Chiffre: "A kun 989.2 382").
37. ausführlich auf der Internetseite www.aryaman-stefan.de
38. Bhikkhuni ist eine Nonne, Bhikkhu ein Mönch, doch gibt´s im Tantra kein Zölibat.
39. Vigyana Bhairav Tantra: REPS, PAUL (Herausgeber), 1976 und später: „Ohne Worte – ohne Schweigen“, Otto Wilhelm Barth Verlag, ISBN 3-502-64502-7. Dieses Buch enthält im Anhang das Vigyan Bhairav Tantra, wie es von Lakshmanjoo an Paul Reps überliefert wurde.
40. Im Buch von JYOTISHMAN DAM, „Shiva-Yoga, Indiens großer Yogi Gorakshanatha“, Diederichs, 1998, finde ich darüber nichts, und Dam selbst glaubt das auch nicht - auf briefliche Anfrage.
41. der § 175 des ReichsGesetzBuches war im Nazi-Reich und danach die Grundlage zur Verfolgung homosexueller Männer, galt von 1871 bis 1969 und ist auch heute noch Grundlage von herabsetzenden Gefühlen und Äußerungen gegenüber allen Männern, denen die Bevölkerung andere als hetero-sexuelle Neigungen zuschreibt.
42. Oft beschrieben, zum Beispiel von ERNST JÜNGER in seinem Buch „In Stahlgewittern“ 1920.
43. siehe die Bilder 13 und 14 (Seiten 39-40).





Anhang A:
Gerade wer in der Jugend mit Sex beginnt ohne ausreichend informiert zu sein, kann schnell in große Schwierigkeiten kommen. Besonders gehören dazu Probleme mit Krankheiten, Verhütung und unbewußter und auch bewußter (ungewollter beziehungsweise gewollter) Zeugung, aber auch die Begegnung mit dieser riesigen Energie, die sich im Sex ausdrückt und alles andere hinwegschwemmen kann.

1)
Über AIDS: Ob AIDS wirklich in erster Linie eine Infektions-krankheit ist, die durch das Virus HIV verursacht wird, ist zweifelhaft. Eine Reihe von kritischen Aufsätzen findet ihr in der Zeitschrift raum&zeit spezial 4 mit dem Gesamtthema „AIDS, die Krankheit, die es gar nicht gibt“, 1992 (ISBN 3-9801761-3-4, erhältlich bei Ehlers Verlag, 82054 Sauerlach). Dennoch: wir sollten vorsichtig sein und aufmerksam die Situation prüfen, in der wir uns mit einer Partnerin, einem Partner in sexuelle Nähe begeben. Das bezieht sich nicht nur auf HIV sondern auf alle Infektionsmöglichkeiten mit Krankheitskeimen, die bei körperlichen Berührungen übertragen werden können, also auch Pilze.

2)
Nach den Aufsätzen in raum&zeit ist AIDS „der sichtbare Ausdruck einer zusammengebrochenen Immunkraft“ (S.79). Dieser Zusammenbruch kann viele Ursachen haben, die alle mit Lebensweisen zu tun haben, die nicht der Natur des Menschen entsprechen, vordringlich Drogen-, Medikamenten- und Chemie-Überbelastung, aber auch Fehlernährung, insgesamt also Mangel an Achtsamkeit gegenüber dem eigenen Körper. Fehlernährung ist üblich in unserer „zivilisierten“ Welt der entwerteten (denaturierten) Nahrungsmittel. Natürlich lässt eine Immunschwäche, welches immer die Ursache ist, auch das HIV-Virus in den Körper und wehrt es nicht ab, es wird also in AIDS-Kranken gefunden wie andere Mikroorganismen auch.

Da aber diese Deutung von AIDS nicht sicher ist, rate ich zu großer Vorsicht: Wer sich in tantrischer Weise in voller Bewußtheit in die sexuelle Begegnung hineinfallen lassen will, sollte immer die Situationsprüfung vorwegnehmen, im gegenseitigen liebevollen Einverständnis der beiden Beteiligten, und Methoden benutzen, die Bedrohungen verhindern können.

Dazu gehört der Gebrauch von Kondomen, wenn die beiden sich nicht völlig sicher sein können, keine Krankheitskeime zu tragen. Dazu gehört auch, daß die beiden einander durch lange Liebschaft kennen und vertrauen.

3)
Dann denke ich auch an die Verantwortung für die Zeugung von Kindern: wollen wir tatsächlich einem neuen Menschen das Leben geben? Wollen wir tatsächlich einer Seele (oder wie immer wir das sehen) eine neue Heimat in dieser Welt, in unserer Familie oder Gemeinschaft geben? Wollen wir tatsächlich für die kommenden Jahrzehnte Eltern dieses Kindes sein, im liebevollen Einverständnis? Haben wir in ausreichender Weise die Mittel dazu, damit das Kind in würdevoller Weise aufwachsen und leben kann? Mit Mittel meine ich weniger die finanziellen Mittel (die sollten auch nicht vernachlässigt werden) als die Gesamtheit der Bedingungen, wie Familie oder ähnlicher Einrichtung, die allgemeine gesellschaftliche Lage, die dem Kinde wichtig sein werden (unter anderem das kulturelle, spirituelle und politische Angebot). Wenn wir nicht wollen, daß wir ein Kind zeugen, dann müssen wir uns um Methoden kümmern, die Zeugung trotz Sex zu verhindern, und zwar ohne Ausnahme (ich meine, es darf dann nie eine Nichtbeachtung dieser Methoden geben, wenn wir gerade mal Lust oder Begierden haben). Zu diesen Methoden gehören: die Beobachtung der empfängnisfreien Tage der Frau, der Gebrauch von Kondomen oder ähnlichen mechanischen Mitteln, die „Antibabypille“ (ein schreckliches Wort), später die Sterilisation des Mannes oder auch der Verzicht auf Sex.

4)
Ich empfinde es als eine Ehre, daß menschliche Seelen mich zu ihrem Vater (andere Seelen zum väterlichen Freund) erkoren haben, daß sie zu mir gekommen sind. Es ist etwas Besonderes, wenn die Eltern die Seele einladen und die Zeugung bewußt und voller Freude und Liebe in ein Fest kleiden, „wir laden dich, neue Seele, ein, zu uns zu kommen und in diesem neuen Körper, den wir dir schaffen, Platz zu nehmen,“ oder so ähnlich. Das schafft von Anfang an eine Liebe und Sympathie für den neuen Menschen und ein Einverständnis zwischen den Eltern. So ein Fest ist noch etwas anderes und Größeres als das Fest der sexuellen Liebe allein.

Anhang B:
Wenn Ihr Bilder aus Khajuraho sehen wollt, sucht in einer Suchmaschine (zum Beispiel www.google.de ), da ist zum Beispiel http://www.fotoaleph.com/Colecciones/TemplosAmor/TemplosAmor-index1.html . Und dann http://209.85.135.132/search?q=cache:Jhyz-gmrn88J:weltbilder.cc/details.php%3Fimage_id%3D1327%26sessionid%3Dd90dc1f05c78308a87f8aba0cfea37d3+kandariya+tempel+aryaman&cd=9&hl=de&ct=clnk&gl=de und Aryaman´s Kommentare. Denn Vorsicht: sie sind keine Sextempel, sie sind viel Größeres, sie sind eine heftige Herausforderung, wenn du tief hineingehst. Ich habe selbst eine Khajuraho-Seite im Netz, in der Prakash´s Fantasiereise (Kapitel XIII im Blog/Buch 5) auch zu sehen ist, mit Fotos: http://www.aryaman-stefan.de .







Autor: Aryaman Stefan Wellershaus, Rabenzweig 1,
23966 OLGASHOF (bei Wismar)
am 20. September 2009, 22. Februar 2013
03841-793337
E-Mail: Ma.Aryafrau@gmx.de

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